Depression im Spitzensport: Auch Sportler erkranken an der Seele

Sportler gehen für eine Medaille, einen Sieg oder ein besseres Ranking an die Grenzen ihrer Belastung – oftmals sogar darüber hinaus. Schneller, höher, weiter, das ist ihr Ziel. Doch wie jeder Mensch sind auch Spitzensportler nicht davor gefeit, tief zu fallen bzw. an einer Depression zu erkranken.

Durch den enormen Leistungsdruck bleibt die Seele auf der Strecke

Eine Depression kann jeden treffen, egal ob Leistungssportler oder nicht, denn das Auftreten einer Depression hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Die umweltbezogenen Faktoren im Leistungssport bringen jedoch einige Risiken mit sich, die die Entstehung einer Depression begünstigen:

  • Leistungsorientierung:
    Spitzensportler werden nur an ihren Leistungen gemessen. Der Wettbewerbs- und Leistungsdruck ist enorm.
  • Bewertung und Überforderung:
    Beinahe täglich sind Athleten mit Misserfolgen und einer ständigen Bewertung von aussen konfrontiert. Viele fühlen sich überfordert, obwohl sie schon lange im Geschäft sind.
  • Leistungsgrenzen ausreizen:
    In ihrer aktiven Laufbahn lernen Sportlerinnen und Sportler, eigene Grenzen zu überwinden, Anzeichen der Erschöpfung oder Leistungsgrenzen zu ignorieren bzw. die Leistungsgrenzen auszureizen.
  • Übertrainingssyndrom:
    Trainings- und Regenerationspausen bleiben auf der Strecke. Dieser Zustand kann zur Belastung werden und zu einem sogenannten Übertrainingssyndrom führen, welches wiederum einen Risikofaktor für eine Depression darstellt.

Neben den Stressoren im Leistungssport kommt hinzu, dass die Sportler, aber auch ihr Umfeld aus Trainern, Mannschaftsärzten und Sponsoren, die psychischen Beschwerden nicht als Krankheit wahrnehmen. Psychische Erkrankungen passen nicht ins Bild des starken, energiegeladenen Sportlers. Die Depression wird verleugnet, man schämt sich dafür und dementsprechend begibt sich der Athlet nicht in professionelle Behandlung. Ein unnötiger langer Leidensweg beginnt, der mitunter auch tödlich enden kann, wie man aus dem Fall des
Fussballers Robert Enke weiss.

Wo finden Spitzensportler professionelle Hilfe?

Grundsätzlich gilt auch hier dasselbe wie bei allen Betroffenen. Beim Wahrnehmen der ersten Anzeichen einer Depression sollte sich niemand scheuen, frühzeitig einen Arzt aufzusuchen. Als erste Ansprechperson fungiert dabei oft der Hausarzt. Dieser überweist die Patienten dann zu einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Denn um eine Depression zu diagnostizieren bedarf es einer umfangreichen fachärztlichen Diagnostik.

Je früher eine Depression erkannt und behandelt wird, umso besser stehen die Chancen für eine nachhaltige Genesung. Für Spitzensportler gilt dies genauso wie für alle anderen depressiven Patienten.
Mittlerweile gibt es für Leistungssportler sportpsychiatrische und sportpsychotherapeutische Zentren, welche sich auf die Behandlung von psychischen Erkrankungen im Spitzensport spezialisiert haben und eine hohe Expertise auf diesem Gebiet aufweisen.

Wie sieht eine Behandlung für Leistungssportler aus?

Das Fachgebiet der Das Fachgebiet der Sportpsychiatrie hat sich in den letzten Jahren etabliert. So stehen die psychisch erkrankten Athleten und deren spezifische Bedürfnisse im Mittelpunkt der Betrachtungen. Sportpsychiatrie ist weit mehr als Mentaltraining und Coaching. Aufgabe der Sportpsychiatrie ist es, schwere seelischen Belastungen mit Krankheitswert zu erkennen und diese individualisiert zu behandeln. Je nach Schweregrad der Erkrankung kann es sein, dass eine kurze Auszeit und eine stationäre Behandlung notwendig sind: Sportpsychiatrie hat sich in den letzten Jahren etabliert. So stehen die psychisch erkrankten Athleten und deren spezifische Bedürfnisse im Mittelpunkt der Betrachtungen. Sportpsychiatrie ist weit mehr als Mentaltraining und Coaching.
Aufgabe der Sportpsychiatrie ist es, schwere seelischen Belastungen mit Krankheitswert zu erkennen und diese individualisiert zu behandeln. Je nach Schweregrad der Erkrankung kann es sein, dass eine kurze Auszeit und eine stationäre Behandlung notwendig sind:

  • In solchen Fällen benötigen Sportlerinnen und Sportler ein auf höchste Diskretion ausgelegtes, sowie auf ihre individuellen Bedürfnisse und Lebensumstände ausgerichtetes Therapieangebot.
  • Dies beinhaltet insbesondere den Zugang zu fachinternistischen und fachpsychiatrischen Kompetenzen.
  • Selbstredend werden auch Sport- und Bewegungstherapien massgeschneidert eingesetzt. Bewegungstherapien sind als wesentliche und nachhaltige Wirkfaktoren bei Affekterkrankungen anerkannt – Sportlerinnen und Sportler jedoch brauchen mehr.
  • Unter Berücksichtigung der besonderen körperlichen Voraussetzungen und den individuellen Umständen von Leistungssportlern sollte der Fokus vor allem auf ein psychotherapeutisches Angebot aus den Bereichen der sprachbezogenen-interpersonellen Therapieformen gelegt sein. Auch nicht-sprachliche Therapien wer-den im Zentrum stehen.
  • Zudem werden die Sportler auch im Zusammenhang mit psychopharmakologischen Möglichkeiten beraten, unter Berücksichtigung der Richtlinien der Anti-Doping-Agenturen.

Bedeutet eine Depression das Karriere-Aus?

Depressionen sind gut behandelbar. Die Sportwelt hat zahlreiche Beispiele dafür, dass auch psychisch erkrankte Sportler Spitzenleistungen erbringen können. Der Hürdenläufer Derrick Adkins beispielsweise gewann 1966 eine Goldmedaille im 400-m-Hürdenlauf, wobei er sich zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer Depression in einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung befand. Auch die dreifache Olympiasiegerin im Skisport, Lindsey Vonn, beweist, dass sie trotz Depression und Einnahme von Antidepressiva im Leistungssport erfolgreich sein kann.

Zur zentralen Rolle der mentalen Gesundheit im Spitzensport haben wir auch ein Interview mit der Olympiasiegerin Tanja Frieden geführt.

Dr. med. Marc Risch

Zum Autor
Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er studierte Humanmedizin in Zürich und Innsbruck und schloss sein Studium in Innsbruck mit einem Doktorat ab. In den weiteren Jahren absolvierte er vertiefende Ausbildungen unter anderen in den Bereichen Krisenintervention, wo er zusammen mit seiner Frau als Ausbildner für das Rote Kreuz tätig war. Seit 2012 führt der Psychiater seine eigene Praxis in Schaan und arbeitet als Chefarzt im Clinicum Alpinum.

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