Wie überstehen wir Quarantäne und häusliche Isolation? Die aktuelle Situation in Bezug auf den COVID-19 Ausbruch ist eine Ausnahmesituation und eine Herausforderung für ALLE. Die gesetzten Massnahmen wirken auf unsere Psyche und können eine Belastung für uns darstellen. Wir haben Verhaltensmassnahmen und mentale Strategien zusammengetragen, welche wissenschaftlich erforscht und bewährt sind, um eine Ausnahmesituation wie diese zu meistern.
Dieses Informationsblatt basiert u.a. auf den aktuellen Empfehlungen der WHO „Mental Health Considerations during COVID-19 Outbreak“ sowie dem Berufsverband österreichischer Psychologen und Psychologinnen (BÖP) Nehmen Sie sich diejenigen Tipps heraus, welche für Sie am besten passen:
Tagesstruktur einhalten
Eine klare Tagestruktur hilft uns, Chaos vorzubeugen und gibt uns Sicherheit. Stehen Sie wie immer auf, ziehen Sie sich auch dann an, wenn Sie das Haus nicht verlassen, halten Sie die üblichen Essens-, Schlafens-, Arbeits- oder Lernzeiten ein. Planen Sie Stunden des Nichtstuns/der Freizeit ebenso ein
Planen Sie Ihren Tag
Eine Liste mit Aktivitäten für den nächsten Tag beugt Kontrollverlust, Hilflosigkeit und nächtlichem Gedankenkreisen vor. Zudem erleben wir das Gefühl: “Ich kann wenigstens meinen Alltag selber gestalten, bin nicht allem hilflos ausgeliefert”
Bewegung tut gut
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Bewegung nicht nur auf unseren Körper, sondern auch auf unsere Seele positive auswirkt.
Sport ist auch in einer Wohnung möglich: Es gibt zahlreiche Videos zum Mitturnen im Internet.
Pflegen Sie Ihre sozialen Kontakte
Die Kommunikation über Telefon, WhatsApp oder gar Skype mit Ihren Liebsten schafft trotz der räumlichen Distanz ein Gefühl von Verbundenheit.
Tragen Sie zu Ihrer Familie Sorge
Sowohl Quarantäne als auch häusliche Isolation bedeuten für uns Stress. Wenn Sie mit Ihrer Familie oder Ihrem Partner zusammenwohnen, planen Sie Ruhezeiten ein, in denen sich je-des Familienmitglied zurückziehen und sich selbst beschäftigen kann. Führen Sie aber auch regelmässig gemeinsame Aktivitäten (z.B. ein Gesellschaftsspiel) durch. Seien Sie geduldig und toleranter als üblich, sowohl mit Ihrem Partner als auch mit Ihren Kindern und vor allem mit Ihnen selbst.
Das richtige Mass an Medienkonsum
Informationen helfen gegen Kontrollverlust und Hilflosigkeit. Aber: Der ununterbrochene Medienkonsum wirkt überflutend auf Gehirn und Seele und führt zu innerer Unruhe. Holen Sie sich Informationen in seriösen Medien. Lesen und schreiben Sie möglichst keine Kommentare in sozialen Medien. Verzichten Sie auf panikmachende Nachrichten via WhatsApp, SMS oder Videos. Setzen Sie sich ganz bestimmte Medienzeiten und medienfreie Zeiten.
Geben Sie Ihren Gefühlen Raum und Zeit
Stress, Unsicherheit, Angst, Verwirrung oder Frustration sind normale Gefühle in einer aussergewöhnlichen Situation – solange diese Gefühle nicht Überhand nehmen. Teilen Sie sich Ihre Zeit bewusst so ein, dass Sie über Zeitfenster verfügen, um sich abzulenken aber auch Zeit haben, Ihren Gefühlen Ausdruck zu geben. Gefühle können sowohl in einem Gespräch ausgedrückt werden, aber auch aufgeschrieben oder kreativ ausleben. Am besten legen Sie zusammen mit Ihrer Familie oder Freunden Zeiten fest, in denen Sie über Ihre Gefühle sprechen und Zeiten, in denen Sie ausdrücklich nicht über das Coronavirus oder die belastende Situation reden möchten. Um sich abzulenken helfen z.B. sportliche Betätigungen, musizieren basteln, Spiele spielen, Kreuzworträtsel, malen, etc.
Angst und Entspannung können nicht gleichzeitig passieren. Zur Reduktion von Ängsten eignen sich Entspannungsübungen hervorragend. Im Internet finden Sie viele Übungen. Zudem hilft es, sich auf das zu konzentrieren, was noch möglich ist anstatt auf das was nicht mehr geht.
und, wenn die Langeweile zu gross wird?
Setzen Sie sich jeden Tag ein Highlight (z.B. eine gute Tasse Tee, ein feines Stück Schokolade, etc.) und nutzen Sie die Zeit für „Projekte“, die Sie bisher immer aufgeschoben haben. Tauschen Sie sich mit Ihren Freunden über gemeinsame Aktivitäten während der Quarantäne aus.
Aggressionen dürfen ausgesprochen aber nicht ausgelebt werden
Negative Emotionen, Anspannung und Aggression sind in Ausnahmesituationen normal. Es ist nicht schlimm, jemandem gegenüber aggressive Gefühle zu haben, gefährlich wird es erst, wenn man sie auslebt. Wenn Sie bemerken, dass andere Erwachsene zuhause gewalttätig werden – gerade gegen Kinder oder Jugendliche – reden Sie mit ihnen. Vielleicht sind Sie in dieser Situation der oder die einzige, der den Schutz des Kindes jetzt herstellen kann.
Dasselbe gilt natürlich, wenn Sie selbst von Gewalt betroffen sind: Holen Sie sich rechtzeitig Hilfe. Hier ist wichtig, dass Sie nicht allein bleiben. Sie sind nicht allein, auch wenn es gerade in einer Isolationssituation so erscheint. Holen Sie Hilfe: Bei Freunden, Beratungseinrichtungen, bei der Telefonberatung eines Gewaltschutz – oder Kinderschutzzentrums, bei massiver Gewalt auch bei Polizei oder Kinder- und Jugendhilfe.
Umgang mit Ihren Kindern zu Hause
Wenn Sie mit Ihren Kindern im Haushalt leben, erklären Sie Ihrem Kind in altersgerechten Worten die Situation. Sagen Sie ihm, dass die Situation lange dauern wird aber ganz sicher wieder vorbei geht. Seien Sie Ihrem Kind gegenüber geduldig, auch es hat Angst, ist verun-
sichert und gestresst. Sagen Sie Ihrem Kind, was Sie tun um sich besser zu fühlen. Erarbeiten Sie mit Ihrem Kind Ideen, was es tun kann um sich besser zu fühlen. Zudem sind folgende Tipps hilfreich:
– Erarbeiten Sie gemeinsame Regeln, wie die gewonnene Zeit bestmöglich genutzt werden kann
– Planen Sie für Ihre Kinder klare Lern- und Freizeiten
– Bieten Sie ihrem Kind die Möglichkeit, sich auch mental zu beschäftigen, z.B. durch Lesen, Schreiben oder Knobelaufgaben
– Auch wenn es zurzeit keinen adäquaten Ersatz für den Spielplatz gibt: Ermöglichen Sie Ihrem Kind körperliche Betätigung im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten
– Kinder haben ein anderes Zeiterleben als Erwachsene. Malen Sie z.B. einen Kalender und streichen Sie – ähnlich einem Adventskalender – jeden Tag der Quarantäne ab, sodass die Zeitspanne für Ihr Kind greifbarer wird
– Akzeptieren Sie, wenn Ihr Kind anhänglicher ist als sonst und kommen Sie diesem Bedürfnis Ihres Kindes nach. Es braucht gerade jetzt Sicherheit und Geborgenheit
– Verzichten Sie darauf, gerade jetzt grosse Erziehungsmassnahmen zu setzen und sehen Sie möglichst von Strafen ab. Versuchen Sie Ihr Kind durch Lob positiv zu verstärken und zu erwünschtem Verhalten zu motivieren
Bewahren Sie sich eine positive Grundhaltung: Dies kann sich auch auf Ihr Kind übertragen und vermittelt Zuversicht und Sicherheit.
Zu guter Letzt: Denken Sie daran: Die vorherrschende Situation ist nur vorübergehend!!
Zum Autor
Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er studierte Humanmedizin in Zürich und Innsbruck und schloss sein Studium in Innsbruck mit einem Doktorat ab. In den weiteren Jahren absolvierte er vertiefende Ausbildungen unter anderen in den Bereichen Krisenintervention, wo er zusammen mit seiner Frau als Ausbildner für das Rote Kreuz tätig war. Seit 2012 führt der Psychiater seine eigene Praxis in Schaan und arbeitet als Chefarzt im Clinicum Alpinum.
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