Kurze Gehstrecken werden zur Tortur

Rund 40 Prozent der Coronaerkrankten leiden an Langzeitfolgen. Das Clinicum Alpinum bietet eine entsprechende Therapie an.

Dass einige an Corona erkrankte Personen von Langzeitenfolgen betroffen sind, ist hinlänglich bekannt. Die Ausmasse dürften dennoch einige überraschen: «Wir wissen, dass rund 40 Prozent nach der zwölften Woche der Infektion noch unter starken Einschränkungen wie Erschöpfung, mangelnde Energie, Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen und Schwindel leiden», sagt Michael Holzapfel, Co-Chefarzt beim Clinicum Alpinum. Die Klinik in Gaflei bietet seit zwei Wochen eine Post-Covid-Cure für Betroffene an. Die Therapieplätze sind auf
fünf Personen beschränkt.

Erschöpfungszustände und Ohnmachtsempfinden

Der Betroffene entscheidet sich für gewöhnlich für eine Therapie, wenn eine Teilhabe am Alltag und Berufsleben nicht mehr wie im gewohnten Ausmass möglich ist. Konkret treten Erschöpfungszustände auf, wenn Betroffene beispielsweise gehen oder Treppen steigen. «Wenn jemand eine Strecke von 200 Metern nicht überwinden kann, handelt es sich klar um Erschöpfung», so Holzapfel. Dabei stehen physische und psychische Symptome in Wechselwirkung. Die Erschöpfung mündet für die Betroffenen in einem Ohnmachtsempfinden. «Im Grunde genommen kreisen die Symptome um einen Kontrollverlust und die Unfähigkeit, sein Leistungsreservoir abzurufen.» Der Arzt verweist darauf, dass diese Erfahrung bereits bei der eigentlichen Covid-Erkrankung auftaucht, wobei Erkrankte von einer behinderten Atmung, einer Verengung
und einem Fremdkörpergefühl im Hals berichten. Die andauernde Symptomatik kann zu Angstzuständen führen.

Zwischen sechs und zwölf Wochen

Weil die ersten Patienten erst vor zwei Wochen die Post-Covid-Cure im Clinicum Alpinum angefangen haben, konnte Holzapfel noch keinen entlassen. Es sei aber davon auszugehen, dass Post-Covid-Patienten zwischen mindestens sechs und maximal zwölf Wochen in Gaflei bleiben. «Eine längere Verweildauer ist im heutigen ökonomischen Zeitalter nahezu undenkbar.» Auch sieht Holzapfel im Moment Probleme in puncto
Kostengutsprachen bei den Krankenkassen, weil Covid-Patienten in keine übergreifende Kategorie fallen: «Einmal sind es ‹Lungen-Patienten›, ein andermal sind es ‹Infektiologische Patienten›. Psychiatrische Indikationen (Anm. d. Red.: in der Medizin der Grund für die Durchführung einer bestimmten ärztlichen Massnahme) gibt es seitens der Krankenkasse nicht, obwohl der ‹Neuropsychiatrische Covid› Probleme bereitet.»

Von natürlichen Heilmitteln und Psychotherapie

Beim Eintritt in die Klinik erhält der Patient ein Paket, das aus speziell zusammengestellten natürlichen Heilmitteln besteht. Stoffe wie Lavendelöl, Kurkuma, Schlafbeeren, Vitamin D3, Fischöle und Krillöl in Hochdosierung oder Coenzym Q sind entzündungshemmend und verbessern den Blutfluss sowie die Energieverteilung. Dazu lehren die Therapeuten dem Patienten ein Atemtraining, das aus Atemübungen, Inhalation und Einreibungen besteht. «Die Atemübungen sind dem Yoga entlehnt, wo es ja bekanntermassen um die Aktivierung von Atmungsfunktion und Energie geht», sagt Holzapfel. Wenn sich der körperliche Zustand des Betroffenen verbessert hat, wird die Therapie um den «Naturraum» erweitert. Der Patient kann sich – unter Berücksichtigung seiner Energiereserven und unter Beobachtung – frei im Wald bewegen. Das Clinicum Alpinum hat eine Vier-Säulen-Therapie definiert. Und neben Ernährung, Schlaf und Bewegung kommt noch eine sprachliche sowie nichtsprachliche Therapie hinzu. Die Psychotherapie findet im Sinne einer abgestimmten Coaching-Strategie statt. In dieser geht es darum, dem erlebten und gefühlten Kontrollverlust entgegenzusteuern und zu entdramatisieren. «Der Patient lernt, die ständige Fragilität des Lebens und somit auch die Covid-19-Erkrankung zu akzeptieren», sagt Holzapfel.

«Denke global, handle regional»

Die Fallzahlen in Liechtenstein erreichten im vergangenen Dezember einen Höchststand. Dazu weist ein eindrücklicher Prozentsatz der Erkrankten Langzeitfolgen auf. Und Therapieplätze sind derzeit beschränkt. Diese Umstände offenbaren ein weites Problemfeld. Vonseiten des Clinicums Alpinum heisst es, dass deshalb für sie die Impfung der Bevölkerung gesundheitspolitisch erste Priorität hat. Doch auch sonst müsse die Gesellschaft einen anderen Weg einschlagen, denn das Gefahrenpotenzial um virale und bakterielle Erkrankungen sind hinlänglich bekannt – und dies bereits seit der Sars-Endemie im Jahr 2012. Holzapfel erachtet hierbei die grenzenlose Mobilität und der inflationäre Einsatz von Antibiotika mit einer folgenschweren Entwicklung der Resistenz als grosse Gefahr für die Menschheit. Die heutige Zeit beschere uns eine ganze Reihe von hochkomplexen Veränderungen des Bio-Gleichgewichts. «Ein bescheidener Ansatz hierzu könnte der hinlänglich bekannte Satz sein: ‹Denke global, handle regional.›»

Interview: Damian Becker

Vaterland, 03.02.2021 Interview als PDF

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