Die Angst zu versagen

Bis zu welchem Punkt ist Angst vor dem Versagen „normal“ und ab wann ist sie als Krankheit anzusehen? Kann Versagensangst zu Depressionen führen?

 

Versagensangst als Stolperstein erkennen und überwinden

Eine neue Herausforderung, sei es im Beruf oder im Privatleben, kann Angst machen – Angst, den Anforderungen nicht gerecht zu werden und zu versagen. Diese Angst wirkt oft lähmend und kann zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden: Je mehr man darauf fokussiert, was und wie etwas schief gehen könnte, desto wahrscheinlicher wird es, dass das Versagen auch eintritt – was wiederum die nächste Herausforderung noch schwieriger macht. Wie lässt sich dieser Kreislauf durchbrechen? Bis zu welchem Punkt ist Angst vor dem Versagen „normal“, ab wann ist sie als Krankheit anzusehen? Kann sie zu Depressionen führen?

 

Woher kommt die Versagensangst?

Versagensangst kann schon in der Kindheit beginnen, wenn Kinder von ihren Eltern nicht genügend Selbstvertrauen und Zuversicht vermittelt bekommen. Für Kinder steht hinter der Angst zu versagen, dass sie befürchten, von den Eltern deshalb abgelehnt oder gar weniger geliebt zu werden. Auch wenn die Wurzeln der Angst nicht immer im Kindesalter zu suchen sind: Meist liegt ihr ein geringes Selbstwertgefühl zugrunde, da sich Personen mit Versagensangst oft vor Augen halten, was sie bisher alles nicht geschafft haben. In der Folge wird es immer schwieriger, Neues zu wagen – was, wenn es schiefgeht?

 

Wie sich Versagensangst äußert

Versagensangst kann sich durch unterschiedliche körperliche Symptome äußern:

– Nervosität

– Herzrasen

– Atembeschwerden

– Schweißausbrüche

– Appetitlosigkeit

– Verdauungsbeschwerden

– Schlafstörungen

– Unwirklichkeitsgefühl

Personen, die stark unter Versagensangst leiden, neigen auch zu „Aufschieberitis“: Sie gehen Aufgaben aus dem Weg, um sich dem damit verbundenen Stress nicht aussetzen zu müssen. Dieses Vermeidungsverhalten führt jedoch dazu, dass die anstehende Aufgabe als noch größer empfunden wird und die Angst weiter zunimmt – eine Vermeidungsspirale beginnt.

 

Ist Versagensangst eine Krankheit?

Versagensangst kann jeden vor neuen und unbekannten Herausforderungen treffen, sie kann allerdings auch Anzeichen einer psychischen Erkrankung sein oder zu einer solchen führen. So tritt Versagensangst etwa bei einer generalisierten Angststörung auf, bei der Betroffene Angst vor vielen alltäglichen Handlungen und Begegnungen haben und fest daran glauben, dass sie scheitern werden. Aber auch andere psychiatrische Erkrankungen können von Versagensängsten begleitet sein.

Versagensangst, die über längere Zeit hinweg zunimmt, wirkt sich negativ auf das Stressempfinden aus und kann dazu beitragen, dass sich Stress nicht mehr abbauen lässt. Betroffene versuchen dann oft, die Angst durch Substanzen wie Alkohol zu dämpfen, was ihnen eine vorübergehende Erleichterung verschafft. Gerade bei besonders herausfordernden Situationen wie dem Spagat zwischen Kind und Karriere kann die Angst davor, in wichtigen Situationen zu versagen, das sprichwörtliche Zünglein an der Waage sein.

 

Wie Versagensangst und Depression zusammenhängen

Permanente Versagensängste bauen einen immer stärkeren Druck auf und können zu Depressionen führen. Betroffene sind dann überzeugt, dass sie nichts können und zwangsläufig scheitern müssen. Ebenso können auch Depressionen zu Versagensängsten führen, weil die negative Sicht auf die Dinge, der Rückzug aus dem Sozialleben usw. dazu beitragen können, dass den Betroffenen neue Herausforderungen immer schwerer bewältigbar erscheinen. Hinzu kommt noch, dass Angststörungen oft weder von der Umwelt noch von den Erkrankten selbst als „echte“ Krankheit wahrgenommen werden. Das trägt dazu bei, dass sie nicht thematisiert werden und erst durch Folgen wie Krankschreibungen oder Folgeerkrankungen wie Depressionen sichtbar werden.

 

Wie sieht ein Ausweg aus der Angstspirale aus?

An erster Stelle in der Auseinandersetzung mit der Versagensangst steht, sich bewusst zu machen, warum man sich vor dem Versagen so sehr fürchtet:

– Welche Folgen verknüpft man in Gedanken mit dem Versagen?

– Geht man von einer Kettenreaktion aus, von Ablehnung und weiterem Versagen?

– Was ist das Schlimmste, was realistisch betrachtet passieren kann?

In weiterer Folge geht es darum, sich bewusst zu machen, dass alle im Leben an gewissen Herausforderungen scheitern. Die Frage ist, wie man aus diesem Scheitern auch lernen kann und wie sich die zu hoch erscheinenden Ziele in kleinere, erreichbare einteilen oder umwandeln lassen. Ebenso wie eine Depression lässt sich Versagensangst auch als Chance statt als Karriereende betrachten – sie ermöglicht einen neuen Blick auf Prioritäten und gibt den Anstoß, etwas zu ändern!

Wenn es nicht möglich ist, mit der Versagensangst allein fertig zu werden, sollte medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden. In der Psychotherapie wird etwa das Vermeidungsverhalten durch Konfrontationstherapie behandelt. Bei tiefgreifenden Angststörungen kann es auch notwendig sein, auf medikamentöse Behandlungen zurückzugreifen, so können etwa Antidepressiva zum Einsatz kommen.

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