Anhedonie – wenn nichts mehr Freude macht

Auch wenn heute mit den Symptomen und Erscheinungsformen von Depressionen viele Menschen schon besser vertraut sind als noch vor 20 oder 30 Jahren, gibt es immer noch viele Irrtümer rund um die Krankheit und auch Aspekte der Krankheit, die kaum bekannt sind. Dazu gehört auch die Anhedonie oder Freudlosigkeit, die sowohl in Zusammenhang mit Depressionen als auch bei anderen Erkrankungen auftreten kann.

Wie fühlt sich Anhedonie für die Betroffenen an?

Betroffene beschreiben Anhedonie oft als die Unfähigkeit, überhaupt etwas zu empfinden. Sie haben an nichts mehr Freude, auf nichts mehr Lust und können sich auch nicht mehr dazu aufraffen, etwas zu erleben, das ihnen bisher Freude bereitet hat – zu kochen, Freunde zu treffen, Sport zu treiben und anderes. Diese krankhafte Freudlosigkeit darf nicht mit Traurigkeit verwechselt werden, die Betroffenen würden sich selbst oft nicht als traurig beschreiben, sondern sie sehen ihr Erleben und Fühlen eher als gedämpft oder kaum noch vorhanden an. Die Freudlosigkeit kann dabei sowohl die Vorfreude als auch das Erleben im Moment umfassen. Auch bei besonders positiven oder lang ersehnten Erlebnissen treten keine Befriedigung und keine Veränderung im Gemütszustand ein.
Mit Anhedonie gehen oft andere Beschwerden wie Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit oder Antriebsschwäche einher. Die Betroffenen ziehen sich oft immer weiter zurück, da sie auch keinen Sinn mehr darin sehen, freudige Erlebnisse zu suchen. Wie bei der Dysthymie kann es allerdings sein, dass diese Veränderungen anderen im Umfeld kaum auffallen.

Woher kommt Anhedonie?

Bisher ist ungeklärt, ob es bei Anhedonie eine erbliche Komponente gibt. Anhedonie kann verschiedene Funktionen des Denkens, Fühlens und Handelns betreffen, eine genaue Diagnostik ist bei dieser psychischen Störung daher wichtig. Es zeigen sich bei allen Betroffenen Veränderungen im Dopamin-Haushalt: Es liegt eine verringerte Dopamin-Ausschüttung vor, die zu einer verringerten Aktivität im mesolimbische Belohnungssystem führt. Diese Veränderungen können durch Umweltfaktoren wie chronischen Stress und belastende Ereignisse ausgelöst werden.

Anhedonie und Depressionen

Anhedonie ist neben gedrückter Stimmung und Antriebsmangel eines der zentralen Symptome von Depressionen. Anhedonie kann jedoch auch bei Angststörungen (wie etwa Autophobie), Schizophrenie, Suchterkrankungen und Demenz vorkommen. Wenn Betroffene an Anhedonie leiden, haben sie ein erhöhtes Risiko, an Depressionen zu erkranken. In der Regel erkranken sie auch schwerer als Personen ohne Anhedonie und die Behandlung dauert länger. Wie bei Depressionen nimmt mit steigendem Alter das Risiko zu erkranken zu.

Zur Behandlung von Anhedonie

Die Behandlung der Anhedonie im Zuge einer Depressionsbehandlung ist erschwert, weil Patienten auf Psychopharmaka weniger gut ansprechen. Medikamentöse Behandlungen, die in den Dopamin-Haushalt eingreifen, können wiederum negative Auswirkungen auf die Depressionen haben. In der therapeutischen und medikamentösen Behandlung von Anhedonie kann es daher länger dauern, bis der richtige Zugang gefunden wird, der alle systemischen Auswirkungen berücksichtigt und zu einer nachhaltigen Besserung führt.

Dr. med. Marc Risch

Zum Autor
Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er studierte Humanmedizin in Zürich und Innsbruck und schloss sein Studium in Innsbruck mit einem Doktorat ab. In den weiteren Jahren absolvierte er vertiefende Ausbildungen unter anderen in den Bereichen Krisenintervention, wo er zusammen mit seiner Frau als Ausbildner für das Rote Kreuz tätig war. Seit 2012 führt der Psychiater seine eigene Praxis in Schaan und arbeitet als Chefarzt im Clinicum Alpinum.

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