Information Overload – Macht Digitalisierung krank?

Nein! Die Digitalisierung ist ein Zeit-Phänomen, welches wir seit Jahrzehnten in unseren Breiten beobachten und Analogien zur Industrialisierung vor mehr als hundert Jahren aufweist. Weder die Industrialisierung damals noch die Digitalisierung heute ist per se gesundheitsschädigend. Jedoch gibt es hintergründige Mechanismen, dank deren Kenntnis wir die neuen Möglichkeiten und Herausforderungen besser verstehen können.

Sowohl Industrialisierung als auch die Digitalisierung setzen darauf, komplexe Abläufe damals durch Maschinen, heute durch Algorithmen, abzubilden. Ob das Krankheitsbild der digitalen Nackenstarre, welche durch zu exzessive Smartphone-Anwendung entsteht, oder eine nicht stoffgebundene Sucht, wie beispielsweise die Internet- oder die Spielsucht durch die Digitalisierung bedingt wird, ist unerheblich. Es geht vielmehr darum, wie wir unser Verhalten auch im Zusammenhang mit neuen Technologien kritisch hinterfragen und steuern.

«Sowohl Industrialisierung als auch die Digitalisierung setzen darauf, komplexe Abläufe abzubilden.»

Die Digitalisierung zwingt uns, in immer kürzeren Zeiteinheiten ein Vielfaches an zu priorisierenden Informationsfragmenten, die über verschiedene Informations-Kanäle (Telefon, Email, SMS, etc.) eingespielt werden, zu verarbeiten. Mit der Durchdringung unserer Arbeitswelt mit digitalen Devices (Smartphones, Email und andere Kommunikation Apps) wird zudem die Face-to-Face-Kommunikation, in der reale Resonanz erlebt wird (gesehen und gespürt werden), zunehmend vernachlässigt.

Oft wird die Diskussion um die Digitalisierung auf den Umgang Jugendlicher mit neuen Medien beschränkt und kritisch hinterfragt. Aber kennen Sie das Unwort des Jahres 2015 in Deutschland? Smombie – Smartphone Zombie. Damit beschreiben die gerade eben erwähnten Jugendlichen von heute uns Erwachsene und unser Verhalten und Umgang mit Smartphones. Eine genauere Betrachtung dieser Hintergründe führt uns in die 1990-er Jahre. Sozialwissenschaftler, Psychologen und Ärzte sehen in diesen Jahren eine bislang wissenschaftlich unterrepräsentierte Trendwende.

Eine Trendwende des menschlichen Verhaltens, weg von einem proaktiv-planenden hin zu auf überbordende Informationsflut reagierende und multi-mobile Individuen. Vor diesem Hintergrund wird kreatives Problemlösen abgelöst durch mehr oder weniger «stumpfe» Reaktionsbildung mit Beschau auf überlaufende digitale Posteingänge. Zunehmend verkümmert die kreative Aktivität und Antizipation von Problemen. Die Probleme sind weitreichender. Untersuchungen von Psychologen, Kinderärzten und Jugendpsychiatern legen nahe, dass sich seit den 1990er Jahren auch unser Erziehungsverhalten in einer Art und Weise verändert, dass es nicht Wunder nimmt, dass wir dem Unlusterleben unserer Kinder oft damit begegnen, in dem wir ihnen unsere Smartphones in die Hand drücken, um sie im Sinne der ob genannten Reaktivität auf «Information Overload» für Momente ruhig zu stellen.

Ein realer Mehrwert

Wenn wir also auch über Digitalisierung unserer Gesellschaft sprechen, dann müssen wir dringend auch über unsere Kommunikationsstile und (Vorbild-)Verhalten in unserer Gesellschaft sprechen und in der Tradition der direkten Kommunikation wieder vermehrt auf gut geplante Meetings, möglicherweise mit handschriftlichen Protokollen, externe Moderatoren und Raum und Zeit für Ideenbildung Wert legen.

Dabei können wir uns intelligenter Technik bedienen, die für uns einen realen Mehrwert bringt. Diesen Mehrwert haben diese Geräte tatsächlich, man kann wie vor zwanzig Jahren auch, nur neu via Smartphones, mit anderen in der Realität lebenden Personen in direkten Kontakt treten und Vereinbarungen treffen oder mit Computern Protokolle schreiben und in die ganze Welt verschicken. Die Technik hilft uns bei der Arbeit – nicht mehr und nicht weniger. Aber Resonanzbildung und tragfähige Beziehungen – ob privat oder im Geschäft, diese spielen sich nach wie vor in der realen Welt ab – Face to Face!

Text: Dr. med. Marc Risch
Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, Clinicum Alpinum AG

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(Wirtschaft Regional)

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