Informationen helfen gegen Kontrollverlust und Hilflosigkeit. Aber: Der ununterbrochene Medienkonsum wirkt überflutend auf Gehirn und Seele und führt zu innerer Unruhe. Was hilft dabei, den eigenen Medienkonsum einzuschränken, Smartphones und Internet nicht ständig zu nutzen? Erfahren Sie in unserem Artikel mehr dazu.
Was ist problematisch an einem exzessiven Medienkonsum?
Smartphones und soziale Medien sind im Alltag selbstverständlich geworden: Wir nutzen das Internet heutzutage für Information ebenso wie zur Kommunikation, es nimmt in unserem Leben immer mehr Raum ein. Zugleich haben immer mehr Nutzer den Eindruck, dass ihr eigener Umgang mit elektronischen Geräten problematisch ist und sie diesen gern einschränken würden. Die intensive Nutzung birgt aber Probleme: So leidet die Aufmerksamkeit merklich darunter, dass etwa während der Arbeit immer wieder nach Mails und Nachrichten gesehen wird. Im Bestreben, nichts zu verpassen, kann man sich am Ende auf nichts mehr wirklich konzentrieren. Zugleich wird in sozialen Medien durch die Zählung von Likes, Kommentaren und Ähnlichem das Belohnungszentrum im Gehirn angesprochen, sodass Nutzer dazu verleitet werden, noch häufiger nach ihnen zu sehen. Das trägt auch dazu bei, dass wir verlernen, Unlust auszuhalten.
Laut einer Erhebung von Statista geben 23 Prozent der Schweizer an, dass sie sich von ihren Smartphones ablenken lassen und dass sie zudem das Gefühl haben, ständig erreichbar sein zu müssen. Besonders häufige „Nebenwirkungen“ sind auch Schlafstörungen und Schlafmangel durch das Nutzen von Smartphone und Internet spät am Tag. So geben etwa auch 21 Prozent der erwachsenen Schweizer bei der genannten Erhebung an, aufgrund des Smartphones später als geplant schlafen zu gehen. Doch wie lange ist bei der Nutzung von Smartphones zu lange und wie lässt sich die eigene Nutzung der Geräte realistisch einschätzen?
Die eigene Mediennutzung richtig einschätzen lernen
In der Regel tendieren Nutzer dazu, ihren eigenen Medienkonsum zu unterschätzen. Um ein realistisches Bild zu erhalten, hilft es, die in Handys oft schon automatisch erhobene Bildschirmzeit für unterschiedliche Anwendungen anzusehen oder diese gezielt mittels App für eine Zeit lang tracken zu lassen. Um die eigene Internetnutzung auch am PC realistisch einzuschätzen, können Zeiterfassungssysteme oder konsequentes Mitschreiben über einen längeren Zeitraum hinweg (z.B. konsequent eine Woche lang) helfen, um diese zu erheben.
Doch nicht nur die Dauer, sondern auch die Frequenz der Nutzung unterschätzen viele: Eine Erhebung des Mental-Balance-Projekts der Universität Bonn bei hunderttausenden Nutzern mittels App ergab beispielsweile, dass diese Nutzer ihr Handy im Schnitt 88 Mal pro Tag aktivieren, um auf die Uhr zu schauen, zu prüfen, ob sie eine Nachricht erhalten haben, zu surfen, chatten usw. Das entspricht einer Smartphone-Nutzung etwa alle 11 Minuten!
Ob Sie nun von erhobenen Daten ausgehen oder auch ohne diese ihren Medienkonsum einfach reduzieren wollen – mit einigen praktischen Tipps fällt das leichter.
Praktische Tipps, um die Mediennutzung zu reduzieren
Wichtig ist in erster Linie, eine bewusste Mediennutzung zu erreichen: Welche Medien nutzen Sie und zu welchem Zweck? Welche nehmen Sie als reine „Zeitfresser“ wahr, die Ihnen keinen weiteren Nutzen und auch keine Freude bringen?
Folgende Tipps können Ihnen sowohl bei der Auswahl, der Reduktion als auch der bewussten Nutzung helfen:
1. Medienquellen reduzieren: Welche Webseiten und Apps wollen Sie nutzen, welche benötigen Sie eigentlich nicht?
2. Zeiten festlegen, die man mit Services verbringen will: Vielen hilft es, sich ein genaues Zeitfenster festzulegen, etwa zehn Minuten für die Beantwortung von Mails oder 15 Minuten Social Media-Nutzung in einer Pause, um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, wie oft und wie viel sie sie nutzen.
3. Hürden erhöhen: Um Geräte und Anwendungen nicht unbewusst zu nutzen, sollten Sie sich überlegen, die Hürden für die Nutzung zu erhöhen. Das kann etwa bedeuten, Handy-Apps zu löschen, um nur noch über den Browser einzusteigen; das Handy auf lautlos zu stellen, damit Sie nicht merken, wenn eine neue Nachricht eintrifft, oder es gar abends an einem anderen Ort abzulegen, um nicht in Versuchung zu kommen, wieder auf den Bildschirm zu sehen.
4. Leerzeiten anders nutzen: Heutzutage ziehen viele beim Warten auf Bus und Bahn oder im Café automatisch ihre Smartphones aus der Tasche. Stattdessen könnte man sich genauso gut auch einfach umsehen, sich Gedanken über bevorstehende Aufgaben o.Ä. machen oder die Sekunden und Minuten einfach mal als Pause wahrnehmen.
5. Bildschirmfreie Zeiten definieren: Klar abgegrenzte bildschirmfreie Zeiten können auch den Medienkonsum von Erwachsenen deutlich reduzieren – das kann ein bestimmter Zeitraum von etwa einer Stunde jeden Tag sein oder etwa während der Mahlzeiten.
Warum „Digital Detox“ problematisch ist
Unter dem Stichwort „Digital Detox“ wird oft dazu aufgerufen, für eine bestimmte Zeit komplett auf die Nutzung elektronischer Medien zu verzichten. Das kann allerdings laut Studien dazu führen, dass im Anschluss zum Ausgleich noch mehr konsumiert wird, um die entgangene Zeit zu kompensieren. Schwierig ist an diesem Zugang auch, dass es bei anderen Verhaltensabhängigkeiten möglich ist, komplett darauf verzichten – elektronische Medien und Smartphones sind aber omnipräsent und werden auch im Arbeitsalltag genutzt. Hier kann also zwar reduziert, aber selten gänzlich verzichtet werden.
Wenn abschalten nicht möglich ist: professionelle Hilfe holen
Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihnen das Reduzieren ihres Medienkonsums schwerfällt und Sie selbst aufgestellte Regeln nicht einhalten können, bedenken Sie zuerst, dass es ein langer und schwieriger Prozess ist, das eigene Verhalten nachhaltig zu ändern. Von heute auf morgen werden Sie hier keine Änderungen erwarten können, hier geht es eher um Wochen und Monate, um neues Verhalten zu erlernen. Haben Sie allerdings den Eindruck, dass Ihr Sozialleben und/oder Ihre Arbeit unter Ihrem intensiven Medienkonsum leiden und Sie wissen nicht mehr weiter, zögern Sie nicht, professionellen Rat zu suchen.
Zum Autor
Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er studierte Humanmedizin in Zürich und Innsbruck und schloss sein Studium in Innsbruck mit einem Doktorat ab. In den weiteren Jahren absolvierte er vertiefende Ausbildungen unter anderen in den Bereichen Krisenintervention, wo er zusammen mit seiner Frau als Ausbildner für das Rote Kreuz tätig war. Seit 2012 führt der Psychiater seine eigene Praxis in Schaan und arbeitet als Chefarzt im Clinicum Alpinum.
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