Psychische Erkrankung – Angehörige sind oft hilflos

Zusehen wie ein geliebter Mensch jegliche professionelle Hilfe ablehnt, obwohl es ihm von Tag zu Tag, von Woche zu Woche schlechter geht, ist für Angehörige von psychisch Erkrankten schlimm. Gerne möchte man helfen, kann bzw. darf aber rechtlich nicht. Solange Betroffene die Therapie verweigern und weder sich selbst oder andere gefährden, sind dem Umfeld der Erkrankten die Hände gebunden.

Angehörige verzweifeln

Eine Depression gehört zu den häufigsten psychischen Erkrankungen, welche mitunter tödlich endet. Nicht nur der Betroffene leidet unter der Krankheit, sondern auch das Umfeld. Besonders schwierig ist es für die Angehörigen, wenn die erkrankten Personen jegliche Therapie verweigern. Trauer, Wut, Verzweiflung und Unverständnis machen sich breit. Wieso kann der Kranke keine Hilfe annehmen? Etliche Motivationsgespräche und gutes Zureden helfen nichts. Oft haben Familien in dieser Situation Angst, Fehler zu machen oder zu wenig zu unternehmen. Nicht selten zerbrechen deswegen Beziehungen.

Was kann das Umfeld tun?

Es kostet sehr viel Kraft, Geduld, Sensibilität und Energie zuzusehen, wie der Partner leidet. Ein Wechselbad der Gefühle von Verantwortung übernehmen, Schonung, Rückzug, Sprachlosigkeit und Verständnislosigkeit beeinflusst dabei die Partnerschaft. «Wie kann oder soll ich mich meinem Partner gegenüber verhalten?» Wichtig ist es für die Angehörigen herauszufinden, wieso der Betroffene eine Behandlung ablehnt. Nur somit können die Bedenken der Erkrankten gezielt ausgeräumt werden. Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie empfiehlt den Angehörigen, professionellen Rat bei einem Facharzt oder Psychotherapeuten einzuholen.
Eine enorme Unterstützung und Hilfe erfahren Angehörige auch durch Selbsthilfegruppen. Es gibt zahlreiche Angehörigenselbsthilfegruppen, bei welchen sich das Umfeld der Betroffenen über bewährte und nicht bewährte Verhaltensweisen austauschen, ihre Wut und Trauer teilen können sowie Trost und Kraft für den Alltag finden.

Gegen den Willen zur Therapie zwingen

Ohne akute psychische Krise gibt es keine Zwangseinweisung – so viel ist sicher.
Folgende Punkte sind unabdingbar, damit ein Patient gegen seinen Willen «fürsorgerisch untergebracht» werden darf, wie diese Massnahme im Fachjargon heisst.

«Eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, darf in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. Die Belastung und der Schutz von Angehörigen und Dritten sind zu berücksichtigen. Die betroffene Person wird entlassen, sobald die Voraussetzungen für die Unterbringung nicht mehr erfüllt sind. Die Betroffene oder eine ihr nahestehende Person kann jederzeit um Entlassung ersuchen. Über dieses Gesuch ist ohne Verzug zu entscheiden.»

Eine Zwangsmassnahme sollte selbstverständlich immer im Sinne des Patienten und zu sei-nem Besten sein, aber die Persönlichkeitsrechte des Patienten müssen stets gewahrt bleiben. Denn obwohl eine fürsorgerische Unterbringung nicht als Strafe, sondern als Hilfe zu verstehen ist, hinterlässt sie bei den Betroffenen oft eine tiefgreifende Verletzung und einen Vertrauensverlust. Eine Zwangseinweisung kann alles zerstören, was man vorher über Monate oder Jahre in der Therapie erarbeitet hat. Weil der Patient sagt: Zu dem geh ich nie mehr.
Daher ist es ratsam, dass Angehörige gemeinsam mit Fachpersonen ein Umfeld schaffen, welches dem Patienten ermöglich, sich freiwillig auf eine Behandlung einzulassen.

Dr. med. Marc Risch

Zum Autor
Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er studierte Humanmedizin in Zürich und Innsbruck und schloss sein Studium in Innsbruck mit einem Doktorat ab. In den weiteren Jahren absolvierte er vertiefende Ausbildungen unter anderen in den Bereichen Krisenintervention, wo er zusammen mit seiner Frau als Ausbildner für das Rote Kreuz tätig war. Seit 2012 führt der Psychiater seine eigene Praxis in Schaan und arbeitet als Chefarzt im Clinicum Alpinum.

Haben Sie Fragen zu dieser Thematik?
Wünschen Sie mehr Informationen?
Können wir Ihnen als Betroffene oder Angehörige Hilfe anbieten?
Rufen Sie uns an +423 238 85 00
oder schreiben Sie uns gerne jederzeit office@clinicum-alpinum.li.
Wir sind für Sie da.

Teilen mit: