Schädliche Coping-Strategien bei Stress erkennen und überwinden

Mit Stress richtig umzugehen fällt vielen schwer, auch wenn das nur wenige offen zugeben. Was aber, wenn man Mechanismen zur Stresskompensation entwickelt hat, die mehr schaden als nützen?

Was sind Coping-Strategien gegen Stress?

„Coping“ bedeutet wortwörtlich übersetzt „mit etwas umgehen“ oder „etwas bewältigen“. Jedes Verhalten, um mit einer Belastung wie Angst, Krankheit, Stress oder Verlust umzugehen, ist grundsätzlich eine Coping-Strategie. Diese Strategien entwickelt jeder Mensch im Laufe seines Lebens unbewusst, sie reichen von der Vermeidung von schädlichen und stressigen Einflüssen (etwa durch sozialen Rückzug) über die Kompensation (durch Alkoholgenuss, Sport oder ungesundes Essen) bis hin zur Anpassung an die Situation. Kurzfristig bringen auch schädliche Coping-Strategien Erleichterung, aber wenn sich der Stress nicht abbauen lässt, kann es zu körperlichen und seelischen Langzeitfolgen kommen.

 

Nicht untergehen – welche Arten von Coping es gibt

In der Forschung werden unterschiedliche Arten von Coping unterschieden: problemorientiertes, emotionsorientiertes oder bewertungsorientiertes Coping. Als problemorientiertes Coping werden Strategien verstanden, die sich mit dem Problem oder Stressor an sich auseinandersetzen – sowohl die aktive Auseinandersetzung, etwa das Informieren über eine Krankheit, als auch Flucht oder Leugnung des Stressors. Emotionsorientiertes und bewertungsorientiertes Coping werden zum Teil als unterschiedliche Formen bezeichnet, zum Teil werden sie aber auch als unterschiedliche Begriffe für dasselbe verwendet: Für Coping-Strategien, die am eigenen Verhalten bzw. am emotionalen Erleben ansetzen. Das kann von positiven Zugängen wie Atemübungen, Entspannungsübungen über Ablenkung bis zu Psychotherapie alle möglichen Strategien umfassen, die den emotionalen Zustand verbessern sollen. Bewertungsorientiertes Coping zielt insbesondere darauf ab, dass der Betroffene lernt, die Stressoren als Herausforderungen zu verstehen, die bewältigt werden können.

 

Wenn Coping mehr schadet als nützt

Destruktives Coping oder sogenannte Maladaptationen sind Strategien, die zwar eine Ablenkung schaffen, aber das grundlegende Problem nicht lösen. Im ersten Moment führen sie zu einer Erleichterung, aber langfristig können sie sich negativ auswirken. Dazu gehören etwa zwanghaftes Verhalten oder sozialer Rückzug, die den Fokus auf den Stress noch verstärken können und dazu führen, dass keine Hilfe gesucht oder angenommen wird. Kompensationsverhalten wie Alkoholkonsum oder ungesundes Essen führen oft auch zu Scham und Schuldgefühlen und in weiterer Folge zur Abwertung der eigenen Person. Damit wird eine Abwärtsspirale ausgelöst, weil die Betroffenen sich für ihr ungesundes Verhalten schämen und noch mehr Druck aufbauen, um wieder zu „funktionieren“. Sie haben immer weniger Energie, um ihren Alltag zu bestreiten, und geraten dadurch noch mehr unter Druck. Auch ist es nicht unüblich, dass Coping-Strategien bei steigendem Stress quasi in der Dosis erhöht werden – z.B. steigender Alkoholkonsum, Ausbildung von Essstörungen, zwanghafter Schlafentzug – was auch zu körperlichen Schäden führt.

Ausbrechen aus Mustern – wie Copingstrategien neu erlernt werden können

Das Ziel sollte sein, die Stresssymptome zu erkennen und zu reduzieren. Um neue Coping-Strategien zu erlernen, ist es auch wichtig, anzuerkennen, dass die bisherigen Strategien, auch wenn sie schädlich sein mögen, geholfen und schützend gewirkt haben. Um neue Muster zu erlernen und zu neuen Verhaltensweisen zu kommen, braucht es in der Regel Hilfe von außen: An erster Stelle geht es darum zu erkennen, was der Auslöser für die Coping-Strategie ist, um zu erarbeiten, welche Alternativen es gibt – von Gesprächen über das Erlernen von Entspannungstechniken bis hin zu einer Therapie.

Dr. med. Marc Risch

Zum Autor
Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er studierte Humanmedizin in Zürich und Innsbruck und schloss sein Studium in Innsbruck mit einem Doktorat ab. In den weiteren Jahren absolvierte er vertiefende Ausbildungen unter anderen in den Bereichen Krisenintervention, wo er zusammen mit seiner Frau als Ausbildner für das Rote Kreuz tätig war. Seit 2012 führt der Psychiater seine eigene Praxis in Schaan und arbeitet als Chefarzt im Clinicum Alpinum.

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