Das Coronavirus rüttelt unseren Alltag mächtig durch: eine Herausforderung für die Gesellschaft und jeden einzelnen von uns. Die Menschen sind ihrer Alltagsstrukturen beraubt. Starke Unsicherheit tritt auf. Direkte Kontakte werden auf ein Minimum beschränkt. Die soziale Distanz zu Freunden und Bekannten sowie die Verlagerung des gesamten Alltags in die vier Wände verstärken Isolation, die auf längere Zeit hin das Gefühl von Einsamkeit hervorruft.
Einsamkeitsgefühl ist nachvollziehbar
Zuerst fallen kulturelle Veranstaltungen aus, dann schliesst das Fitnesscenter, die Arbeit wird ins Homeoffice verlagert und auch der Gottesdienst findet nicht mehr statt. Um uns vor dem Coronavirus zu schützen, verlagern wir unser Leben in die eigenen vier Wände. Soziale Kontakte und Begegnungen fallen weg. Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie führt in einem Interview aus, dass wenn wir uns für längere Zeit in eine Isolation begeben, handeln wir entgegen dem, was wir evolutionär gelernt haben – nämlich uns in sozialen Gruppen zusammenzutun. Das bringt uns durcheinander und das Gefühl der Einsamkeit lässt sich nicht vermeiden.
Welche Folgen hat die Einsamkeit für uns?
Soziale Kontakte sind wichtig für unsere psychische und physische Gesundheit. Das Gefühl der Einsamkeit führt – wenn wir uns ihr ausgeliefert fühlen – auf der körperlichen Ebene zu Stress und stellt deshalb ein wesentlicher Risikofaktor für körperliche (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Schlaganfall) und psychische Erkrankungen (bspw. Depressionen, Angststörungen, Schlafstörungen) dar. Gerade für alleinstehende, ältere oder psychisch kranke Menschen verschärft sich aktuell diese Situation. «Unseren Patientinnen und Patienten raten wir in normalen Situationen unter Leute zu gehen, die sozialen Beziehungen zu pflegen, um so dem Gefühl der Einsamkeit entgegenzuwirken. Wenn dies nun aktuell nicht möglich ist, kann es sein, dass z.B. depressive Symptome auftreten bzw. sich verstärken», erklärt Dr. med. Marc Risch.
Fernmündlich und digital in Kontakt bleiben
Dr. med. Marc Risch rät dazu, in Kontakt zu bleiben, um jeden Preis, egal in welcher Form.
Derzeit sollten wir uns bewusst machen, dass wir über moderne Kommunikationsmittel in Echtzeit sogar mit bewegtem Bild kommunizieren können. Das ersetzt den physischen Kontakt zwar nur zum Teil, dennoch ist das Hören einer Stimme schon besser als gar kein Kontakt. Können wir sogar Gesichter sehen, ist es im Moment das Maximum – es werden noch mehr Sinne beansprucht als beim herkömmlichen Telefonieren. So kann man sich via Skype oder FaceTime zum Abendessen verabreden.
Auch in der Behandlung von psychisch erkrankten Menschen wird derzeit auf telefonische und digitale Therapie gesetzt. Dabei ist vor allem die Verlässlichkeit der Kontaktaufnahme wichtig, betont Dr. med. Marc Risch in einem TV-Interview.
Wir sind heute in der Lage, «fernmündlich» mit einsamen Menschen in Kontakt zu sein und damit vorübergehend zur emotionalen Stabilisierung beizutreten. So ist es z.B. für Menschen mit Ängsten oder Angststörungen ist es wichtig, dass sie in Kontakt mit anderen Menschen bleiben. Die Angst kann auf mehrere Schultern verteilt werden.
Freude finden an alltäglichen Sachen – trotz Coronavirus
Wir haben in unserem Ratgeberbeitrag über psychologische Hilfen in Coronazeiten Verhaltensmassnahmen und mentale Strategien zusammengetragen, welche wissenschaftlich erforscht und bewährt sind, um eine Ausnahmesituation wie diese zu meistern.
Um das psychische Gleichgewicht in dieser vorübergehenden Ausnahmesituation zu halten, hilft es, wenn wir uns fragen, was tut mir gerade gut? Was brauche ich? So können wir die Not zur Tugend machen und uns bspw. «Projekten» widmen, welche wir bisher immer aufge-schoben haben. Auch wenn unserer Bewegungsradius derzeit eingeschränkt ist, können wir uns mit unserer Lieblingsmusik, einem guten Buch oder einem feinen Essen Gutes tun.
Wo finde ich Hilfe?
Pro mente sana hat mit der Homepage inCLOUsiv eine Plattform errichtet, auf welcher neben einem Austausch über psychische Gesundheit auch Beratung- und Notfallnummern hinterlegt sind.
Zum Autor
Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er studierte Humanmedizin in Zürich und Innsbruck und schloss sein Studium in Innsbruck mit einem Doktorat ab. In den weiteren Jahren absolvierte er vertiefende Ausbildungen unter anderen in den Bereichen Krisenintervention, wo er zusammen mit seiner Frau als Ausbildner für das Rote Kreuz tätig war. Seit 2012 führt der Psychiater seine eigene Praxis in Schaan und arbeitet als Chefarzt im Clinicum Alpinum.
Haben Sie Fragen zu dieser Thematik?
Wünschen Sie mehr Informationen?
Können wir Ihnen als Betroffene oder Angehörige Hilfe anbieten?
Rufen Sie uns an +423 238 85 00
oder schreiben Sie uns gerne jederzeit office@clinicum-alpinum.li.
Wir sind für Sie da.