Täglich nehmen sich in der Schweiz durchschnittlich vier Menschen das Leben. Jährlich sterben in der Schweiz rund 1300 Menschen durch Suizid. Mindestens zehnmal so viele Personen haben einen missglückten Suizidversuch in ihrer Biografie. Auch das direkte Umfeld ist von einer Selbsttötung betroffen. Doch obwohl Zehntausende jährlich direkt oder indirekt unter den Folgen leiden, wird das Thema Suizid noch zu häufig tabuisiert.
Endstation eines langen Leidensweges
Fast jeder kennt jemanden, der von einem versuchten oder tatsächlich durchgeführten Suizid betroffen ist. Hinter jedem Suizid, jedem Suizidversuch steckt eine sehr persönliche Geschichte: manchmal ein langer Leidensweg, manchmal eine kurzfristige schwere Krise. Die Mehrheit der Menschen, welche sich das Leben nehmen, haben an einer psychischen Erkrankung gelitten – am häufigsten an einer Depression.
Jeder Fünfte hat ein hohes Risiko, einmal im Leben an einer behandlungsbedürftigen Depression zu erkranken. Weltweit sind aktuell mehr als 300 Millionen Menschen von einer Depression betroffen – Tendenz leider stark steigend. Bleibt eine depressive Verstimmung unbehandelt, kann sie sich zu einer schweren Depression manifestieren, in welcher suizidale Gedanken nicht weit entfernt sind
Ein hellhöriges Umfeld kann Leben retten
Wer depressiv ist, ist auch traurig? Nicht ganz. Die Depression äussert sich bei jedem Betroffenen unterschiedlich. Dabei steht nicht die Traurigkeit im Zentrum, sondern vielmehr, das Gefühl, gar nichts empfinden zu können. An Depressionen erkrankte Menschen können ihre Probleme auch gut verstecken oder gar überspielen. So lachen sie, feiern und arbeiten wie die anderen. Es entsteht der Eindruck, alles sei in Ordnung. So ist es für das Umfeld möglich, dass die Depression lange nicht wahrgenommen bzw. erkannt wird. Dennoch gibt es einige Symptome und Warnzeichen, bei welchen Freunde und Familie hellhörig werden sollten:
– sozialer Rückzug der betroffenen Person
– depressive Menschen werden von negativen Gefühlen wie Hoffnungslosigkeit, Pessimismus und Hilflosigkeit bestimmt
– Betroffene leiden unter einem verminderten Antrieb und es fällt ihnen schwer die täglichen Herausforderungen zu meistern
– meist treten bei einer Depression Schlafstörungen auf
– die Konzentration leidet und es fällt erkrankten Menschen schwer, Entscheidungen zu treffen
– oft ändert sich das Essverhalten der Betroffenen und somit auf ihr Gewicht
– manchmal werden Depressionen von körperlichen Beschwerden wie z.B. Rückenschmer-zen, Magendarmbeschwerden u.ä. begleitet
Bemerken Angehörige und Freunde solche Veränderungen sollten sie in dieser Situation nicht lockerlassen. Auch das erteilen von guten Ratschlägen wie „du brauchst nur ein bisschen Schlaf und Urlaub“ oder das Abwenden von den Betroffenen ist sehr gefährlich. Depressive Menschen dürfen nicht in Ruhe gelassen werden, sondern sollen so schnell wie möglich professionelle Hilfe bei einem Psychiater oder Psychotherapeuten aufsuchen.
Wie reagiere ich, wenn ich Suizidgefahr vermute?
Weit verbreitet ist die Vorstellung, dass wer von Selbstmord spricht, es nicht ernst meint. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall: Die meisten haben vor ihrem Suizid ihre Absichten geäussert oder Zeichen gegeben, diese wurden jedoch nicht gehört bzw. gesehen. Daher gilt für das Umfeld:
– Suizidankündigung oder -drohungen ernst nehmen
Äusserungen von Suizidabsichten verunsichern. Es ist ein Irrglaube, dass Menschen, welche suizidale Absichten äussern «sich sowieso nichts antun». Suizidandeutungen sind ernst zu nehmen. Bei Verdacht gilt es aktiv nachzufragen.
– Betroffenen zuhören
Oft berichten Überlebende von Suizidversuchen, dass ihnen jemand gefehlt hat, «der sich kümmert und zuhört». Zuhören, da sein und gemeinsam aushalten, kann überlebenswichtig sein.
– Das Thema Suizid von sich aus ansprechen
Über Suizid zu sprechen kann eine wichtige Entlastung sein. Es stimmt nicht, dass Betroffene sich erst recht etwas antun, wenn sie mit der Thematik konfrontiert werden.
– Professionelle Hilfe beiziehen
Suizidale Krisen sind in der Regel mit einer Depression oder einer anderen psychischen Erkrankung verbunden. Daher ist es von grosser Bedeutung, dass Fachleute hinzugezogen werden. Auch wenn der Betroffene das möglicherweise ablehnt, ist es gerade auch für Angehörige empfehlenswert sich fachlichen Rat zu holen.
Zum Autor
Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er studierte Humanmedizin in Zürich und Innsbruck und schloss sein Studium in Innsbruck mit einem Doktorat ab. In den weiteren Jahren absolvierte er vertiefende Ausbildungen unter anderen in den Bereichen Krisenintervention, wo er zusammen mit seiner Frau als Ausbildner für das Rote Kreuz tätig war. Seit 2012 führt der Psychiater seine eigene Praxis in Schaan und arbeitet als Chefarzt im Clinicum Alpinum.
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