Über die eigene Depression sprechen

Eine Depression ist eine Erkrankung wie viele andere, dennoch sprechen die meisten Erkrankten ungern darüber. Das hat mit weitverbreiteten Vorurteilen über Depressionen und mit den gutgemeinten Ratschlägen zu tun, die man als Betroffener oft zu hören bekommt. Aber auch Angehörige und Freunde scheuen sich oft, bei einer vermuteten Depression den oder die Betroffenen anzusprechen. Wie kann ein Gespräch über Depressionen gelingen?

Warum sollte ich mit Angehörigen und Freunden über meine Depression sprechen?

Viele an Depressionen Erkrankte möchten ihre Diagnose für sich behalten – zu groß die Angst vor Unverständnis oder einfachen, wohlmeinenden Ratschlägen, etwa, dass alles halb so schlimm sei und man sich nur zusammenreißen müsse. Doch gerade die nächsten Angehörigen und Freunde schöpfen meist ohnehin schon Verdacht, dass etwas nicht stimmen könnte. Gerade auch für eine Partnerschaft ist eine Depression immer eine Belastungsprobe. Eltern und andere nahestehende Personen können auf psychische Erkrankungen mit Skepsis reagieren, weil sie diese aus einem Beschützerinstinkt heraus ablehnen. In so einem Fall ist es besonders wichtig, ein offenes Gespräch zu suchen, um sich die Unterstützung dieser Personen zu sichern.
Wissen andere über die Erkrankung Bescheid, können sie besser als „Auffangnetz“ in Krisensituationen reagieren: So fällt ihnen eher auf, wenn sich der Betroffene zurückzieht oder sie können Warnsignale für einen Suizid einordnen und melden sich von sich aus bei ihm.

Wie ein Gespräch über die eigene Depression gelingen kann

Ein ehrliches Gespräch über die Depression und die Auswirkungen dieser auf das eigene Leben kann helfen. Auch bietet das die Möglichkeit, das eigene Verhalten zu erklären, wie etwa den Rückzug aus sozialen Aktivitäten, das unerwartete Absagen von Verabredungen oder das Nichteinhalten von Terminen. Außerdem kann ein solches Gespräch dabei helfen zu verdeutlichen, wobei man Hilfe benötigen könnte – und worum man sich lieber selbst kümmern würde. Hat man sich also bewusst gemacht, mit welcher Motivation man über seine Depressionen sprechen möchte und was man sich von einem solchen Gespräch erwartet, ist es einfacher zu entscheiden, mit wem und was man teilen möchte.

Oft bieten Freunde und Verwandte von sich aus an, über die Krankheit zu reden. Diese Gesprächsangebote ermöglichen den Betroffenen, andere teilhaben zu lassen und ihnen verständlich zu machen, was die Krankheit für sie bedeutet. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen, etwa in Selbsthilfegruppen, kann Unterstützung dafür bieten, wie man die eigene Depression am besten ansprechen kann.

Muss ich auf meiner Arbeit über die Erkrankung Bescheid geben?

Im beruflichen Kontext fürchten sich viele verständlicherweise davor, offen über ihre psychischen Erkrankungen zu sprechen. Begleitet von der Angst, dass man zurückgestellt wird, als nicht mehr belastbar gilt, verbirgt man seine Erkrankung lieber. Ob es sinnvoll ist und helfen kann, Depressionen auf der Arbeit zu thematisieren, hängt mit dem Arbeitsumfeld zusammen: Gibt es Akzeptanz und Rücksichtnahme bei psychischen Erkrankungen? Begegnet man unterschiedlicher Belastbarkeit mit Verständnis? Wenn Sie davon ausgehen können, sollten Sie Vorgesetzte und auch Kollegen von Ihrer Diagnose und den damit einhergehenden Konsequenzen informieren. So vermeiden Sie, dass es zu unangenehmen Gerüchten kommt. Ist allerdings Druck, Unverständnis oder im schlimmsten Fall sogar eine Kündigung zu befürchten, suchen Sie ärztliche Unterstützung für Krankschreibungen und andere Möglichkeiten zur Erholung.

Depressionen bei Partner und Freunden ansprechen

Wenn Sie bei einer Person in Ihrem Umfeld vermuten, dass sie unter Depressionen leidet, sollten Sie das unbedingt ansprechen! Bemerken Sie Anzeichen wie einen Rückzug aus dem Sozialleben, Freudlosigkeit und Niedergeschlagenheit, sprechen Sie den Betroffenen direkt darauf an. Wichtig ist dabei, nicht Vermutungen über mögliche Diagnosen anzustellen, sondern anhand von Beispielen zu beschreiben, was Ihnen aufgefallen ist, und ein offenes Gesprächsangebot zu machen. Wie auch bei anderen Angeboten zur Unterstützung – einkaufen, aufräumen, Begleitung zur Therapie, etc. – geht es darum, sich nicht aufzudrängen, sondern dem Betroffenen die Entscheidung selbst zu überlassen. Sie sollten sich darauf einstellen, dass es viel Zeit und Geduld brauchen wird, bis bei einer depressiven Erkrankung eine Besserung eintritt – nach Beginn einer Therapie kann es mehrere Wochen dauern, bis erste Anzeichen von Besserung sichtbar werden.

Warnsignale bei Depression – unbedingt beachten!

Im Umgang mit einer depressiven Person gilt: Genaues Hinschauen ist entscheidend für die Suizidprävention. Beachten Sie Warnsignale wie einen noch stärkeren Rückzug, Kontaktabbruch oder absolute Aussagen (das „immer“ und „alles“ schlimm sei, „absolut hoffnungslos“). Sprechen Sie Betroffene darauf an, dass schwere Depressionen dazu führen können, dass man nicht mehr leben will. Blockt der Betroffene ab oder weigert sich, Hilfe anzunehmen, und Sie vermuten, dass eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegen könnte, kontaktieren Sie unverzüglich Krisendienste, Rettung o.Ä., um Hilfe von außen zu holen.

Dr. med. Marc Risch

Zum Autor
Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er studierte Humanmedizin in Zürich und Innsbruck und schloss sein Studium in Innsbruck mit einem Doktorat ab. In den weiteren Jahren absolvierte er vertiefende Ausbildungen unter anderen in den Bereichen Krisenintervention, wo er zusammen mit seiner Frau als Ausbildner für das Rote Kreuz tätig war. Seit 2012 führt der Psychiater seine eigene Praxis in Schaan und arbeitet als Chefarzt im Clinicum Alpinum.

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