Wenn ein Schicksalsschlag eine Depression auslöst

Schockierende oder gar traumatische Erlebnisse, so genannte „Schicksalsschläge“, können individuell sehr unterschiedlich sein. Wenn furchtbare Ereignisse geschehen, gehen manche Menschen daran zugrunde. Andere stecken die Erfahrungen scheinbar ohne seelische Folgen weg. Aber wann löst ein Schicksalsschlag eine Depressionen aus? Und wo und wie kann man professionelle Hilfe suchen?

Welche Ereignisse können Depressionen auslösen?

Vorweg ist es wichtig zu verstehen, dass nicht hinter jeder Depression ein bestimmter Auslöser steckt. Es ist daher nicht immer zielführend, nach einem solchen zu suchen oder zu vermuten, dass es einen geben muss. Die genetische Veranlagung zu Depressionen im Zusammenspiel mit Stress oder hormonellen Veränderungen kann dazu führen, dass eine Depression ausbricht, ohne dass es von außen betrachtet große Veränderungen im Leben gibt.

Unbestritten ist aber, dass sogenannte Schicksalsschläge massive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben können, die ebenso wie die körperliche Gesundheit integraler Bestandteil der menschlichen Gesundheit ist und daher erhalten und gestärkt werden muss.

 

Welche Ereignisse werden gemeinhin als Schicksalsschläge bezeichnet?

–  Todesfälle im nahen Umfeld (von Verwandten, Partner und Freunden, aber auch von Haustieren)

– Schwere Unfälle oder Erkrankungen

– Verlust des Arbeitsplatzes oder finanzielle Krisen, die zu einer großen Verunsicherung führen

– Trennungen oder Scheidungen

Unmittelbar lösen Schicksalsschläge einen Schock oder eine Erschütterung im Leben aus. Bei vielen Betroffenen stehen zu Beginn Gedanken darüber im Vordergrund, ob und wie sie verhindert werden hätten können, und es dominiert das Gefühl, dass das ganze Leben nun unwiederbringlich verändert ist und der Schmerz für immer bleiben könnte.

 

Kann ein Schicksalsschlag eine Depression auslösen?

Ob ein Schicksalsschlag eine Depression auslöst, hängt von individuellen Faktoren ab, wie der genetischen Veranlagung zu Depressionen, der Stressresistenz und den Ressourcen zur Bewältigung sowie der Unterstützung im nahen Umfeld. Insbesondere die individuelle, angeborene oder erlernte Resilienz ist entscheidend dafür, ob man mit einem schwierigen Ereignis gut umgehen kann. Schätzungen, wie viele Personen über eine so starke Resilienz verfügen, dass sie ohne professionelle Hilfe mit schweren Schicksalsschlägen umgehen können, divergieren zwischen 30 und 60 Prozent. Eine Studie von Bonanno zu Personen, die die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA miterlebt haben(1), kam zu dem Ergebnis, dass rund 35% aller Menschen so resilient sind.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass Depressionen nicht unmittelbar nach dem Ereignis auftreten müssen. Viele Betroffene reagieren in einer ersten, stressigen Phase mit hektischer Betriebsamkeit oder wirken nach aussen hin gefasst. Erst wenn der Stress nachlässt und ihnen die Auswirkungen des Schicksalsschlags näher bewusstwerden, kann es sein, dass die Depression Wochen oder Monate später auftritt.

Zugleich sollte man nicht vergessen, dass es auch umgekehrt sein kann: dass eine vorhandene Depression dazu führt, dass Herausforderungen und schwierige Situationen als sehr viel belastender wahrgenommen werden und von den Betroffenen als Schicksalsschläge gesehen werden, auch wenn Außenstehende diese als harmloser beurteilen würden. Daher ist es wichtig, die Wahrnehmung der Betroffenen ernst zu nehmen und den Problemen auf den Grund zu gehen.

 

Wo und wie kann man nach einem Schicksalsschlag Hilfe suchen?

In einem ersten Schritt geht es darum, anzuerkennen, dass man von einer Situation überfordert ist und sich hilflos fühlt. Wenn Betroffene selbst ansprechen, dass sie Hilfe brauchen, ist das ein wichtiger erster Schritt. Es ist individuell unterschiedlich, ob es zielführender ist, sich zurückzuziehen und seine Gedanken und Gefühle allein zu verarbeiten oder nach aussen zu gehen, Gespräche mit Familie und Verwandten zu suchen oder sich gar eine Selbsthilfegruppe zu suchen. Wird die Situation über mehrere Wochen hinweg als belastend empfunden, fällt die Bewältigung des normalen Alltags schwer und bemerkt man an sich selbst Symptome von Depressionen wie Niedergeschlagenheit oder Antriebslosigkeit, sollte man unbedingt professionelle Hilfe suchen – im ersten Anlauf über den Hausarzt oder direkt bei Psychologen oder Psychotherapeuten.

 

Wozu kann ein Schicksalsschlag gut sein?

Kann man einem Schicksalsschlag auch Positives abgewinnen und daraus auch Kraft für die Bewältigung einer Depression gewinnen? Pauschal ist das schwer zu beantworten, auch ist es nicht hilfreich, davon auszugehen, dass jedem Lebensereignis etwas Positives abgewonnen werden muss. Ein bewältigter Schicksalsschlag kann individuell aber auch als Chance verstanden werden, weil er zwischenmenschliche Beziehungen stärken oder zu neuen Beziehungen führen kann. Auch lösen Schicksalsschläge bei vielen Personen aus, dass sie die Prioritäten in ihrem Leben neu ordnen und sich fragen, was ihnen wirklich wichtig ist. Nicht zuletzt kann ein bewältigter Schicksalsschlag die Resilienz und auch die Fähigkeit zur Selbstreflexion stärken.

 

(1) Bonanno, G. A. (2004). Loss, trauma, and human resilience: Have we underestimated the human capacity to thrive after extremely adverse events? American Psychologist, 59, 20-28.

 

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