Wenn zu viel Training krank macht – wie Übertraining und Depressionen zusammenhängen

Professionelle Sportler, die schon lange im Geschäft sind, kann es ebenso treffen wie passionierte Hobbysportler: Sie fühlen sich erschöpft und überfordert und der Zustand scheint kein Ende zu nehmen. Gerade am Anfang gleichen die Symptome von Übertraining oft einer Erkältung: Man kommt morgens schwer aus dem Bett, fühlt sich schlapp und kann sich kaum für das Training motivieren. Als Gegenmaßnahme versucht manch einer, Pausen zu verkürzen und noch intensiver zu trainieren, was die Erschöpfung noch verstärkt.
Ein Übertrainingssyndrom ist allerdings kein Zustand, der sich durch noch intensivere Anstrengungen überwinden lässt, sondern auf eine systemische Erschöpfung zurückzuführen. Damit ist es eine ernsthafte Erkrankung als solche unbedingt professionell zu behandeln.

Was sind die Symptome von Übertraining?

Übertraining geht mit einer Vielzahl an Anzeichen und Symptomen einher, die auch auf andere Krankheitsbilder wie Depressionen oder körperliche Erkrankungen hindeuten können. Kommen jedoch mehrere dieser bei professionellen Athleten oder intensiv trainierenden Hobbysportlern zusammen, sollte abgeklärt werden, ob es sich um ein Übertrainingssyndrom handelt.
Mögliche psychische Anzeichen für Übertraining:
– Mangel an Selbstbewusstsein
– Motivationsmangel
– Niedergeschlagenheit
– Depressionen
– Schlafstörungen

Mögliche körperliche Symptome von Übertraining:
– Verringerung der maximalen Herzfrequenz
– erhöhter Ruhe- und Belastungspuls
– Sehnenscheidenentzündungen, Zerrungen, anhaltender Muskelkater
– erhöhte Verletzungsanfälligkeit
– Kopfschmerzen

Wie kommt es zum Übertraining?

Es gibt mehrere Hypothesen, welche körperlichen Prozesse Übertraining auslösen können. Die „Glykogen-Hypothese“ etwa geht davon aus, dass die Abnahme der Glykogenspeicher in den Muskeln unter intensiver Belastung der entscheidende leistungslimitierende Faktor ist. Die „Zytokin-Hypothese“ wiederum sieht als Ursprung lokale mechanische Muskel- und Gelenksschäden (angefangen beim Muskelkater), auf die der Körper mit überschießenden Reparaturreaktionen reagiert.
Erwiesen ist, dass das Übertrainingssyndrom immer in Zusammenhang mit zu geringen Regenerationsphasen auftritt. Die optimale Dauer und Abfolge von Ruhephasen zu bestimmen, ist sehr schwierig, da das neben der Art und Intensität der Belastung auch von individuellen körperlichen Voraussetzungen abhängt. Gerade Hobbysportler nehmen sich oft ein zu hohes Trainingspensum vor und überlasten sich durch Ehrgeiz und Unwissen. Aber auch professionelle Sportler können an jedem Punkt ihrer Karriere erleben, dass ein zu hohes Trainingsvolumen oder eine zu hohe Trainingsintensität in Kombination mit unzureichenden Regenerationsphasen dazu führt, dass das Leistungsniveau stark sinkt. Nicht zu unterschätzen ist dabei der Druck, dem sich Spitzensportler ausgesetzt sehen und der durch das Auftreten einer Krankheit noch fatal verstärkt werden kann, wie auch Olympiasiegerin Tanja Frieden und Skirennfahrer Marco „Büxi“ Büchel in ihren Interviews mit uns erzählen.

Overreaching vs. Overtraining – klare Begrifflichkeiten fehlen oft

Es gibt derzeit in der Forschung und auch unter Leistungssportlern selbst keinen verbindlichen begrifflichen Konsens darüber, wo der Übergang zwischen Überlastung und Übertraining liegt bzw. wie diese genau abzugrenzen sind. Der Begriff „Functional Overreaching“ bezeichnet eine Trainingsstrategie, bei der durch kurzfristige Überlastung in Kombination mit einer ausreichenden Erholungsphase ein erhöhtes Leistungsniveau erzielt werden soll – ein anderer Begriff dafür ist „Short-Termin Overtraining“. Auch der deutschsprachige Begriff „Übertraining“ wird zum Teil noch positiv konnotiert verwendet, um eine absichtliche und bewusste Überlastung zu bezeichnen, d.h. eine geplante Ermüdung nach intensivem Training.
Im Allgemeinen bezeichnet „Overreaching“ eine kurz anhaltende, leichte Form der Überlastung, die auch nur wenige Tage anhalten sollte. „Overtraining“ bzw. „Übertraining“ dagegen ist eine schwere, längerfristige Form.

Übertraining und Depressionen – besteht ein Zusammenhang?

Gerade im Spitzensport werden psychische Beschwerden oft nicht als Krankheit ernst- und wahrgenommen, wie auch Dr. med. Marc Risch im Artikel „Depression im Spitzensport: Auch Sportler erkranken an der Seele“ feststellt. Das Übertrainingssyndrom kann auch Depressionen auslösen. Ob es dazu kommt, hängt von Umweltfaktoren wie auch von der individuellen mentalen Verarbeitung von Reizen ab – die höhere Belastung im Spitzensport sowie die erhöhte Ausschüttung von Stresshormonen bei Athleten im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung tragen dazu bei.

Früherkennung und Behandlung von Übertraining

Ein sorgfältiges Trainingsmonitoring kann wesentlich dazu beitragen, dass eine Überlastung erkannt wird, wichtig sind dabei etwa Aufzeichnungen zu Regenerationsphasen, zum Ruhepuls und vergleichbaren Parametern. Schwierig zu erkennen ist dabei, wo die normale Anpassung an den Trainingsreiz endet und die Überlastung beginnt. Standardisierte Beobachtungsstudien haben sich dabei bisher aufgrund der sehr individuellen Trainingsbedingungen von Sportlern als kaum durchführbar erwiesen.
Um eine andauernde Überlastung und die Folgen zu behandeln, ist eine medizinische Anamnese des Zustandes und eine anschließende professionelle Behandlung der richtige Weg. Besonders qualifiziert dafür sind Experten aus dem Fachgebiet der Sportpsychiatrie: Hier kommen individualisierte Behandlungskonzepte unter Berücksichtigung einer möglichen stationären Aufnahme und einer damit verbundenen Auszeit zur Anwendung.

Dr. med. Marc Risch

Zum Autor
Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er studierte Humanmedizin in Zürich und Innsbruck und schloss sein Studium in Innsbruck mit einem Doktorat ab. In den weiteren Jahren absolvierte er vertiefende Ausbildungen unter anderen in den Bereichen Krisenintervention, wo er zusammen mit seiner Frau als Ausbildner für das Rote Kreuz tätig war. Seit 2012 führt der Psychiater seine eigene Praxis in Schaan und arbeitet als Chefarzt im Clinicum Alpinum.

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