Vertrauen ist gut, Vertrauen ist besser

«Irgendwann müssen wir uns überwinden und Mitarbeitenden das Vertrauen schenken, dass sie wissen, was sie tun.»

Über 50 Mitarbeitende, und doch das Gefühl, alles selbst machen zu müssen? Wenn du willst, dass es läuft, musst du es selber machen! Selbstständig – selbst und ständig! Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Als Chef musst du immer der Beste sein! Das und vieles mehr schwirrt seit Beginn unserer Selbstständigkeit andauernd um unsere Ohren und in unseren Köpfen herum.

Warum hat man immer das Gefühl, alles selbst machen zu müssen, sobald man den Schritt in die Selbstständigkeit wagt? Warum hat man den Mut, sein Erspartes zu investieren, sichere Arbeitsplätze aufzugeben und den Schritt in freies Unternehmertum zu setzen, aber nicht den Mut, einem Mitarbeitenden zu vertrauen? Verkehrte Welt. Wir hetzen von Termin zu Termin, übernehmen Vertretungen in allen Bereichen – von Personal über Kommunikation bis zu Empfangstätigkeiten –, sind 24 Stunden erreichbar. Am Wochenende ärgern wir uns in regelmässigen Abständen, dass wir zu wenig Zeit für Familie und Freunde geschweige denn Geduld haben und dass am ersten Ferientag der Brandalarm auf unserem Mobil telefon unseren Blutdruck in die Höhe schnellen lässt.

Wir nehmen uns wochenlang Zeit, die besten Mitarbeitenden zu rekrutieren, führen Vorstellungsgespräche über Vorstellungsgespräche, holen Referenzen ein und lesen sogar von Zeit zu Zeit Probearbeiten. In den ersten drei Monaten führen wir Standortgespräche, befragen Kollegen und überführen Arbeitsverhältnisse in definitive Anstellungen. Im Alltag führen wir Mitarbeitergespräche und organisieren Führungskonferenzen, Kadertreffen und Mitarbeiterinformationen, im Rahmen derer wir unseren Mitarbeitenden erklären, dass sie unsere wichtigste Ressource sind, wir ohne sie nicht wissen, was wir tun würden und unsere Organisation nur durch sie und mit ihnen überlebt.

 

Aber trotz alledem schaffen wir es nicht, ohne Mobiltelefon in die Ferien zu fahren oder drei Wochen am Stück als Selbstversorger abgeschnitten von der Zivilisation die gewonnene Zeit mit unseren Familien und Freunden zu verbringen. Nein, wir nehmen uns maximal zwei Wochen – wenn überhaupt – Zeit. Die Wochen vor den Ferien sind gespickt mit wichtigen Kundenterminen, wir organisieren noch alle Eventualitäten und überlegen uns Worst-Case-Szenarien inklusiv fünf verschiedenen Lösungsstrategien. Am letzten Wochenende unserer Abwesenheit gehen wir lieber bereits am Sonntag ins Büro, um alle wichtigen E-Mails zu beantworten und vor allem zu überprüfen, ob alles so gelaufen ist, wie wir es uns vorgestellt haben. Natürlich haben wir das Gefühl, dass wir noch Terminpläne und Abrechnungen kontrollieren, Artikel für Social-Media-Auftritte redigieren und Kundenreklamationen beantworten müssen.

Und nach jeder unserer Abwesenheit wundern wir uns, dass unsere Mitarbeitenden bei jeder Kleinigkeit zu uns kommen, anstatt selbst zu überlegen und Lösungen zu finden. Irgendwann müssen wir uns überwinden und unseren Mitarbeitenden das Vertrauen schenken, dass sie wissen, was sie tun – nämlich das, wofür wir sie in unsere Betriebe geholt haben. Vertrauen finden in unsere Fähigkeit, die richtige Person für die richtige Position gefunden zu haben, und Vertrauen finden, dass alle unsere Mitarbeitenden gleich wie wir selbst nur das Beste für unser gemeinsames Unternehmen wollen und deshalb Tag für Tag vollen Einsatz zeigen. Vertrauen finden, dass diejenigen, die Fehler machen, auch Lösungen finden, und Vertrauen zeigen, dass wir aus Fehlern lernen – bestenfalls auch aus den Fehlern, die fast jeder Selbstständige am Anfang macht – aus Angst, Dinge selber machen, für die es im Unternehmen bessere Kollegen gibt. Begegnen wir unseren Mitarbeitenden auf Augenhöhe und schenken wir ihnen das Vertrauen, das sie verdienen – wer weiss, vielleicht werden wir überrascht, denn Vertrauen ist gut, Vertrauen ist besser.

 

 

Michaela Risch Verwaltungsratspräsidentin Clinicum Alpinum

 

 

 

Vaterland, 30.07.2021
Artikel als pdf Vertrauen ist gut, Vertrauen ist besser

 

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