Weltkindertag – Therapieplätze für Jugendliche überfüllt

Einrichtungen der Sozialpädagogen, Psychiater und Psychologen für Kinder und Jugendliche haben die Kapazitätsgrenze überschritten

Kinderpsychologinnen mussten Arbeitspensum erhöhen

Es sind aber nicht nur die Plätze in der Psychiatrie, die schon lange im Voraus belegt sind. Der Trend verstärkt sich auch seit einem Jahr in den psychologischen Praxen. Sechs Kinder- und Jugendpsychologinnen sind Mitglied beim Berufsverband der Psychologinnen und Psychologen Liechtensteins (BPL). Sie können den Kindern nicht so schnell Hilfe anbieten, wie sie möchten. Je nach Therapeutin kann die Wartezeit zwischen zwei Wochen und drei Monate dauern, obwohl diese ihr Arbeitspensum erhöht haben. Christof Becker, BPL-Präsident, fordert: «Liechtenstein muss sein Versorgungsangebot verstärken.»

 

Die Pandemie hat den Missstand verschärft

Psychologen und Psychiater sind sich einig: Die Pandemie war lediglich ein zusätzlicher Stressfaktor für Probleme, die davor schon unterschwellig vorhanden waren. Risch sagt, dass junge Erwachsene wegen einer hohen Belastung in die Krankheit abrutschen würden: «Wichtig ist dabei festzuhalten, dass wir diese Entwicklung schon seit einigen Jahren beobachten.» Er bemängelt eine vorhandene Perspektivlosigkeit und fehlende Strukturen für junge Menschen.
Lange Wartezeiten gab es ebenso schon vor Covid-19 in den Psychiatrien. Doch sind sie nun um einige Monate länger geworden

 

«Für Spezialbehandlungen müssen sie ein Jahr warten»

Zwar ist laut Becker bei allen Altersgruppen die Nachfrage nach psychologischer Hilfe angestiegen, «doch am meisten betrifft dieses Phänomen Kinder und Jugendliche.» Beim BPL sind sechs Kinder- und Jugendpsychologinnen Mitglied. Becker weist darauf hin, dass das System mehr Ressourcen benötigt. «Obwohl die Therapeutinnen teilweise ihr Behandlungsvolumen gesteigert haben, haben sich die Wartezeiten für Erstkonsultationen verlängert», sagt Becker. Je nach Psychologin kann die Wartezeit zwischen zwei bis vier Wochen liegen. Sie kann aber auch bis zu drei Monaten dauern. «Für jemanden, der Hilfe benötigt, ist das eine lange Zeit», so Becker.
Diese Situation habe nicht lange nach Pandemiebeginn begonnen. Kinder und Jugendliche klagen über Ängste, Depressionen, Panikstörungen und Familienkonflikte. «Die Pandemie ist nicht die einzige Ursache, doch als Stressfaktor wirkt sie sich auf Menschen mit Vorbelastungen aus», so der BPL-Präsident.
Voll sind auch die stationären Kinder- und Jugendpsychiatrien in den Nachbarländern. Weil es in Liechtenstein keine entsprechende stationäre Klinik gibt, müssen Minderjährige auf die Schweiz und auf Österreich ausweichen. In der Schweiz müssen sie ein halbes Jahr warten, in Österreich teilweise noch länger. Viele hilflose Eltern in Liechtenstein kontaktieren das Clinicum Alpinum, wie Chefarzt Marc Risch sagt. Sie seien verzweifelt, weil weder regionale noch ambulante Plätze für ihre Kinder frei seien. Eine Situation, die es laut Risch schon vorher gab, die aber durch die Pandemie verstärkt wurde. Risch versucht, sie weiterzuvermitteln und führt bei Notfällen auch Konsultationen bei Minderjährigen aus. Er kritisiert: «Aktuell warten betroffene Jugendliche für Spezialbehandlungen wie zum Beispiel Essstörungen bis zu einem Jahr auf Behandlungsplätze – ein bedauerlicher Zustand, der einem modernen, reichen Land schlecht zu Gesicht steht.»
Nicht nur die Psychiatrie und die Psychologen stossen an ihre Kapazitätsgrenzen. Auch in sozialpädagogischen Institutionen hält dieser Trend Einzug.

 

Damian Becker
Vaterland, 22.Juli 2021

 

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