Eine Betroffene erzählt uns anonym von ihrer Wochenbettdepression. Nach einigen Jahren erfüllte sich ihr Kinderwunsch endlich. Doch die Glücksgefühle blieben sowohl in der Schwangerschaft, als auch nach der Geburt aus.
Langersehntes Wunschkind
„Wir konnten unser Glück kaum fassen, als der Test endlich positiv war“, erinnert sich die Betroffene. Doch mit den ersten Glücksgefühlen tauchten auch Ängste auf. „Werde ich in der Lage sein, dieses Kind gesund auf die Welt zu bringen? Bleibt diese Schwangerschaft intakt? Ist dieses Ziehen normal?“ Solche und ähnliche Gedanken waren in der Schwangerschaft omnipräsent. Die Mutter erzählt uns heute, dass sie die Schwangerschaft nicht richtig geniessen konnte. „Als Schwangere hat man das Bild einer glückselig lächelnden Frau vor sich, die sich den Bauch streichelt. So habe ich mich nie gefühlt. Bei mir überwog die Angst“.
Auf die Geburt folgte der Alptraum
Eine natürliche Geburt kam für die Betroffene nicht in Frage, da das Baby zum Termin nicht in der richtigen Geburtsposition lag. Sarah erblickte dann durch einen geplanten Kaiserschnitt das Licht der Welt. „Ich war total erleichtert, dass alles gut gegangen war. Überglücklich endlich meine gesunde Tochter in den Armen zu halten. Leider hielt diese Erleichterung nur einige Stunden“, erinnert sich die Mutter. Denn mit dem Baby tauchten neue Ängste und Sorgen auf. Diese Ängste spitzen sich nach dem Verlassen des Spitals zu.
„Mein Mann konnte mich nicht verstehen. Nach einer so langen Kinderwunschzeit und so-wohl für mich als auch für ihn anstrengenden Schwangerschaft, sollte ich doch jetzt endlich entspannt sein, glücklich und dankbar“. Doch ihr Alltag war von Sorgen und Ängsten
geprägt, alles richtig zu machen. „Plötzlich hatte ich wahnsinnige Angst, insbesondere vor dem plötzlichen Kindstod. Ich traute mich nachts nicht zu schlafen, ausser mein Mann versprach mir Sarah nicht unbeaufsichtigt zu lassen. Irgendwann konnte ich nicht mal mehr ihm vertrauen“.
Ihr Mann überredete sie Hilfe in Anspruch zu nehmen
Nach drei Wochen zu Hause war die Mutter am Ende ihrer Kräfte, sowohl körperlich als auch psychisch. Sie konnte immer weniger schlafen, auch wenn das Baby friedlich schlief, und die Angst beherrschte ihren Alltag. „Ich war nicht mal mehr in der Lage, ganz alltägliche Dinge wie Einkäufe oder die Wäsche zu erledigen“, erzählt die Betroffene. Irgendwann stellte ihr Mann sie vor ein Ultimatum: entweder sie nimmt professionelle Hilfe in Anspruch oder er geht mit dem Baby.
Die Mutter wandte sich an ihre Mütterberatung, die ihr einen Kontakt zu einer Mutter-Kind-Klinik herstellte. Zwei Tage später konnte sie mit ihrem Baby für einen stationären Aufenthalt in der Klinik eintreten. „Ich fühlte mich als totale Versagerin. Jetzt war ich sogar im „Irrenhaus“. Meinem Mann und meiner Familie gegenüber habe ich mich so geschämt und litt besonders am Anfang unter starken Schuldgefühlen. Jeder erwartete doch von mir nur so von Glückseligkeit zu strahlen, doch das konnte ich nicht“, so die Betroffene über ihre ersten Tage in der Klinik. Nach einer Weile realisierte sie, dass dieser Aufenthalt genau das war, was sie brauchte, um wieder gesund zu werden und die Mutterschaft geniessen zu können. Geholfen habe vor allem auch zu sehen, dass sie nicht die Einzige sei mit einer Depression.
Der Weg zurück war nicht einfach
„Heute weiss ich, dass ich schon in meiner Schwangerschaft unter einer leichten Depression gelitten habe. Doch leider haben sowohl ich, als auch mein Umfeld oder meine Gynäkologin dies nicht gemerkt“. Obwohl ihr Mann sie schlussendlich fast „gezwungen“ hat Hilfe in
Anspruch zu nehmen, sieht sie ihn als grosse Stütze in dieser Zeit. Er habe immer zu ihr gestanden, obwohl auch er oft an seine Grenzen kam. Während ihres Klinikaufenthaltes spielte ihr Mann ebenfalls eine wichtige Rolle. „Durch diesen Umstand kam er selbst an seine Grenzen und wollte verstehen, was mit mir los war. Neben meinen Einzeltherapien war es hilfreich, dass er aktiv an Paargesprächen involviert war“.
Heute kann die Mutter die Zeit mit ihrer Tochter geniessen und ist glücklich. Ihre Tochter, so ist sie sich sicher, hat durch die turbulente Zeit keinen Schaden genommen. „Sie ist ein aufgewecktes und lustiges Kind. Die Herzen fliegen ihr zu, weil sie einfach so ein sonniges Gemüt hat. Und ich weiß, dass ich dazu beigetragen habe.“
Zum Autor
Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er studierte Humanmedizin in Zürich und Innsbruck und schloss sein Studium in Innsbruck mit einem Doktorat ab. In den weiteren Jahren absolvierte er vertiefende Ausbildungen unter anderen in den Bereichen Krisenintervention, wo er zusammen mit seiner Frau als Ausbildner für das Rote Kreuz tätig war. Seit 2012 führt der Psychiater seine eigene Praxis in Schaan und arbeitet als Chefarzt im Clinicum Alpinum.
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