Welttag der Suizidprävention – Warum das Wort Selbstmord problematisch ist

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die International Association for Suicide Prevention (IASP) haben 2003 den 10. September als Welttag der Suizidprävention ausgerufen. Der nach wie vor verbreitete Begriff „Selbstmord“ trägt jedoch dazu bei, dass Suizide tabuisiert sind, was die Suizidprävention erschwert. Wie kann man damit umgehen?

Warum der Begriff Selbstmord problematisch ist

Suizide sind eine nicht zu unterschätzende Todesursache: Jedes Jahr sterben allein in Deutschland etwa 10.000 Menschen daran. Immer noch wird im Deutschen dafür am häufigsten der Begriff „Selbstmord“ verwendet, doch in der Fachwelt ist der Begriff mittlerweile umstritten. Er gilt als stigmatisierend, da in der Bezeichnung als Mord die Verdammung der Selbsttötung durch Kirche und Obrigkeiten nachwirkt, wie sie jahrhundertelang üblich war. Der Begriff „Selbstmord“ trägt auch weiterhin dazu bei, dass Suizide tabuisiert werden, was die Suizidprävention erschwert. Das hat auch gravierende Auswirkungen auf die Arbeit mit Angehörigen und Hinterbliebenen.

 

Ein Suizid ist kein Mord

Aus juristischer Sicht ist ein Suizid kein Mord, d.h. kein Tötungsdelikt nach dem Strafgesetz. Anders sieht das beim assistierten Suizid, der Beihilfe zum Suizid und der Tötung auf Verlangen aus: Diese Formen der Sterbehilfe werden international kontrovers diskutiert und juristisch sehr unterschiedlich geregelt.

 

Andere Bezeichnungen für Suizid im Deutschen

Der Begriff „Suizid“ kommt aus dem Lateinischen, zusammengesetzt aus „selbst“ und dem Verb „caedere“, das töten, niederstechen, fällen, niederschlagen bedeuten kann. Damit zeigt sich, dass das ursprüngliche Verb unterschiedliche Wertungen bzw. mögliche Beschreibungen von Handlungen enthält. Im Wortfeld des Suizids ist auch noch die Suizidalität wichtig, d.h. ein Zustand und alle Gedanken und Handlungen, bei denen der mögliche eigene Tod das Ergebnis sein kann. Personen, die Suizid begehen, befinden sich in einem Zustand der Suizidalität, meist empfinden sie ihre Situation als ausweglos bzw. sehen den Tod als einzigen möglichen Ausweg.

 

Der Begriff „Selbstmord“ ist historisch gesehen der älteste deutschsprachige Begriff für Suizid, ursprünglich war er nicht wertend gemeint – der wertende Aspekt hat sich durch den gesellschaftlichen Umgang entwickelt, etwa durch die Ächtung der Selbsttötung in der Kirche. Weiters verbreitet sind im Deutschen auch noch die Begriffe Selbsttötung und Freitod. Selbsttötung ist ein amtssprachlicher Begriff, mit dem versucht wird, nicht zu werten und nicht über Vorsatz oder Fahrlässigkeit zu entscheiden. Der Begriff des Freitods soll die Freiwilligkeit und die freie Entscheidung dazu betonen, sich das Leben zu nehmen. Allerdings sagen viele Menschen, die Suizidversuche überleben, dass sie sich nicht frei und selbstbestimmt fühlten, sondern in einer aussichtslosen Situation.

 

Tabus erschweren auch die Arbeit mit Angehörigen

Sowohl die Suizidprävention als auch die Arbeit mit Hinterbliebenen erschwert der Begriff des Selbstmords: Personen, die etwa unter Depressionen leiden und abwägen, sich das Leben zu nehmen, trauen sich nicht, ihre Gedanken anderen gegenüber anzusprechen und Hilfe zu suchen, wenn es keine unbelastete Möglichkeit gibt, über Suizid zu sprechen. Das kann sogar so weit gehen, dass sie sich nicht trauen, ihre Depressionen im Umfeld anzusprechen.

Auf die Hinterbliebenen wirkt die Bezeichnung „Selbstmord“ oft noch zusätzlich belastend und wirft Fragen nach Täter, Opfer und Schuld auf: Wie hätte die Tat verhindert werden können? Es kann auch zu Schuldzuweisungen und Vorwürfen kommen, dass man früher eingreifen und Warnhinweise erkennen hätte sollen.

 

Gerade ein unbelastetes und offenes Sprechen darüber, was zu Suiziden führen kann und warum man darüber nachdenkt, ist ein entscheidender Teil der Prävention. Und dazu gehört eben auch, den belastenden Begriff des „Mords“ wegzulassen und ohne Schuldzuweisungen die konkrete Notsituation und die möglichen psychischen Erkrankungen der betroffenen Person sowie die Auswirkungen auf Familie und Freunde in den Fokus zu rücken.

Aktionsplan Suizidprävention Schweiz

Gemeinsam mit anderen Akteuren hat auch der Bund den Aktionsplan Suizidprävention erarbeitet. Er wurde 2016 verabschiedet. Ziel ist es, suizidale Handlungen während Belastungskrisen oder psychischen Erkrankungen wie Depressionen zu reduzieren.

 

Spanisches Logo des Welttags der Suizidprävention

Spanisches Logo des Welttags der Suizidprävention

 

Dr. med. Marc Risch

Zum Autor
Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er studierte Humanmedizin in Zürich und Innsbruck und schloss sein Studium in Innsbruck mit einem Doktorat ab. In den weiteren Jahren absolvierte er vertiefende Ausbildungen unter anderen in den Bereichen Krisenintervention, wo er zusammen mit seiner Frau als Ausbildner für das Rote Kreuz tätig war. Seit 2012 führt der Psychiater seine eigene Praxis in Schaan und arbeitet als Chefarzt im Clinicum Alpinum.

Haben Sie Fragen zu dieser Thematik?
Wünschen Sie mehr Informationen?
Können wir Ihnen als Betroffene oder Angehörige Hilfe anbieten?
Rufen Sie uns an +423 238 85 00
oder schreiben Sie uns gerne jederzeit office@clinicum-alpinum.li.
Wir sind für Sie da.

Teilen mit: