Hinter Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Tinnitus, Herzrasen, Magenschmerzen und vielen weiteren körperlichen Symptomen kann sich eine Depression verbergen.
Körper und Seele hängen immer zusammen
Zwischen unserem physischen und psychischen Befinden existiert eine sehr enge Beziehung. «Eine Depression äussert sich nicht nur durch Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit, sondern oft stehen körperliche Beschwerden im Vordergrund», erläutert Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Eine grosse innere Anspannung führt oft zu einem erhöhten Muskeltonus. Dadurch werden Verspannungen begünstigt, die wiederum zu Kopf-, Nacken-, und Rückenschmerzen führen. Herzrasen, ein Beklemmungsgefühl in der Brust werden durch einen gefühlten Dauerstress gefördert. Wenn depressive Menschen ein verändertes Appetitverhalten an den Tag legen, entstehen schnell Verdauungsstörungen wie z.B. Übelkeit, Blähungen oder Verstopfungen. Dass sich eine Depression auf diese Weise auf den Körper auswirkt, hierfür ist ein zweiter Mechanismus von grosser Bedeutung: Erkrankt man an einer Depression, werden schon vorhandene körperliche Beschwerden zu einem ganz anderen Empfinden. Das leichte Zwicken im Arm, der Schwindel beim Aufstehen oder der Druck im Kopf beim Wetterumschwung – solche Wehwehchen waren bisher problemlos auszuhalten und werden nun zunehmend als unerträglich empfunden.
Somatoforme Depression
Treten wiederholt verschiedene körperliche Beschwerden auf, die trotz mehrfach durchgeführten Untersuchungen mit negativen Testergebnissen bestehen bleiben, könnte von einer somatoformen Störung gesprochen werden. Fast alle Menschen erleben in ihrem Alltag zuweilen irgendwelche unklaren körperlichen Symptome. Erst wenn diese über einen längeren Zeitraum anhalten, zu deutlichem Leid führen und den Alltag der betreffenden Person erheblich beeinträchtigen, ist die Rede von einer Somatoformen Störung. Oft wird auch der Begriff Somatisierungsstörung, Funktionelle Störung oder seit kurzem Somatische Belastungsstörung verwendet.
Die Somatoforme Störung ist durch ein oder mehrere körperliche Symptome gekennzeichnet, die mit erheblichem Leid, Sorgen und Funktionsschwierigkeiten im Alltag einhergehen. Die Beschwerden dauern mindestens über einen Zeitraum von 6 Monaten an.
Weshalb entstehen somatoforme Störungen?
Menschen, welche von einer Somatoformen Störung betroffen sind, nehmen «normale Körperprozesse» verstärkt wahr und deuten es als Anzeichen einer körperlichen Erkrankung. Zum Beispiel schlägt das Herz schneller oder man hat einen nervösen Magen in Stresssituationen. Betroffene fragen sich: «Was bedeutet das? An welcher Krankheit leide ich?». Je intensiver wir die Aufmerksamkeit auf unsere Beschwerden lenken, desto stärker werden sie.
Um der Ursache der körperlichen Beschwerden auf den Grund zu gehen, werden wiederholt Ärztinnen und Ärzte zu Rate gezogen – auch aus unterschiedlichen Fachgebieten. Doch auch die ärztliche Versicherung, dass keine körperliche Erkrankung vorliegt, kann Betroffene nicht beruhigen. In der Folge der Beschwerden, werden körperliche Aktivitäten gemieden und eine Schonhaltung eingenommen. Dies führt langfristig zu einer noch schlechteren körperlichen Verfassung und durch diesen Teufelskreis verschlimmern sich die Beschwerden immer weiter, gleichzeitig wird der Alltag der betroffenen Personen stark beeinträchtig.
Schlussendlich ist es so, dass unterschiedliche körperliche, seelische und soziale Umstände dazu führen, dass Menschen eine Somatoforme Störung entwickeln und die Beschwerden fortbestehen.
Behandlung und Therapie
Es ist nicht immer leicht, die Somatoformen Störungen von anderen körperlichen Erkrankungen abzugrenzen. Daher ist es essentiell, alle körperlichen Ursachen auszuschliessen, bevor die Diagnose «Somatoforme Störung» verwendet wird.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Psychotherapie bei Somatoformen Störungen sehr wirksam ist. Dadurch lernen Patientinnen und Patienten, wie sie mit ihren körperlichen Beschwerden umgehen und den Alltag wieder besser bewältigen können.
In der Therapie geht es dann vor allem darum,
– die eigenen Beschwerden und ihre Entstehungsprozesse besser zu verstehen und einzuordnen
– durch die Veränderung von gedanklichen Bewertungen und Gefühlen einen besseren Umgang mit den Körperbeschwerden zu finden
– trotz den Beschwerden den Körper wieder langsam mehr zu belasten und aktiver zu wer-den
– durch gezielte Aktivierung, Stressbewältigung und Achtsamkeitstraining die Beeinträchtigung durch die Körperbeschwerden zu reduzieren
Gelegentlich kann auch der vorübergehende Einsatz von klug gewählten Psychopharmaka hilfreich sein.
Zum Autor
Dr. med. Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er studierte Humanmedizin in Zürich und Innsbruck und schloss sein Studium in Innsbruck mit einem Doktorat ab. In den weiteren Jahren absolvierte er vertiefende Ausbildungen unter anderen in den Bereichen Krisenintervention, wo er zusammen mit seiner Frau als Ausbildner für das Rote Kreuz tätig war. Seit 2012 führt der Psychiater seine eigene Praxis in Schaan und arbeitet als Chefarzt im Clinicum Alpinum.
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