Gesundheitsversorgung kostet Geld

Das Frühjahr zieht ins Land und so sicher wie das Amen im Gebet wer­den bald wieder negative Schlagzei­len über die Gesundheitskosten in den Medien stehen. Im vollen Be­wusstsein, mich unbeliebt zu ma­chen, will ich Folgendes loswerden.

Ich bin eine Unterstützerin der Pflegeinitiative, stehe einer Vier-Tage-Arbeitswoche positiv gegen­über, bin der Überzeugung, dass der Beruf für Ärztinnen und Ärzte sowie Fachpflegende entbürokratisiert werden muss. Die wertvolle «Hilfs­zeit» muss umfänglich den Patien­ten und Patientinnen gewidmet werden. Ich befürworte eine perso­nalisierte Medizin, Spitäler, die Einzelzimmer für alle Versiche­rungskategorien vorhalten, um körperliche und seelische Genesung zu beschleunigen. Ich erwarte, dass jeder erkrankte Mensch schnellst­möglich einen wohnortnahen Be­handlungsplatz bekommt.

Versetze ich mich in die Lage einer Patientin, möchte ich, dass jeder Arzt 24 Stunden erreichbar ist, keine Wartezeiten in der Praxis, noch lieber Hausbesuche.

Mein Arzt ist bestens ausgebildet, verfügt über Berufs- und Lebenserfahrung. Er ist empathisch, versteht mich und geht die sprichwörtliche «letzte Meile meines Leids» mit mir. Im Spital möchte ich ein Einzelzimmer, sau­ber, ruhig und keine «Besenkam­mer». Ich möchte pflegerisch, medi­zinisch v. a. aber menschlich um­sorgt sein. Wenn ich den «Knopf» drücke, kommt schnellstmöglich Hilfe, wenn ich verwirrt bin. Das Essen wird «liebevoll» hergerichtet und freundlich serviert – auch wenn ich es vielleicht nicht anrühre. Die Mitarbeitenden sind freundlich, entgegenkommend, motiviert, ausgeglichen und ausgeschlafen.

Jetzt die grosse Überraschung, der sich Gesellschaft, Politik, Kranken­kassen, Leistungserbringer, Prämi­enzahler und Leistungsempfänger endlich stellen dürften: Ja, Gesund­heitsversorgung kostet Geld, aber eine insuffiziente Versorgung kostet mehr.

Eine «Pflästerli-Gesundheits-Politik», die nicht auf Generationen hinaus plant und antizipiert, ist menschenunwürdig.

Man muss nicht studiert haben, um sich auszurech­nen, dass es auf Dauer nicht funktio­nieren wird, nur die Tarife zu sen­ken, um die Kosten in den Griff zu bekommen, und mit dem Finger auf erschöpfte Gesundheitsdienstleister zu zeigen, «Kosten-Treiberei» und «Angebotsinduzierung» zu schreien und den Erkrankten «Wehleidig­keit» und fehlende «Leidensfähig­keit» vorzuwerfen.

Wir müssen uns dringend bemühen, die Krankheitslast über die Lebens­spanne zu senken und dies bei ge­steigerter Lebenserwartung(!).

Das Gesundheitswesen und dessen Träger, die Pflegenden, Ärzte, MPAs, Service-Personal etc. werden mit immer schneller werdendem Tempo an die Wand gefahren. Wundert es tatsächlich, wenn erfahrene «Health-Professionals» das Gesundheitswe­sen verlassen und sich neuen Aufga­ben ausserhalb der medizinischen Versorgung zuwenden? Weil sie in einer zunehmenden Bürokratisie­rung und Überreglementierung ersticken und viel Zeit für Formulare und Krankenkassenberichte aufwen­den sowie dem Kampf gegen eine übermächtige, zur Ablehnung von notwendigen Behandlungen «hoch­gezüchtete» und hochdotierte «Ver­trauensärztlichkeit» machtlos ge­genüberstehen? Ja, eine gute Ge­sundheitsversorgung kostet Geld. Ja, das Gesundheitswesen in einem Kleinstaat wie Liechtenstein hat Besonderheiten, die in der Versor­gungsplanung einer überregionalen Betrachtung bedürfen. Liechtenstein weist eine der höchsten Pro-Kopf-Gesundheitskosten aus. Diese ma­chen jedoch nur ca. 5 Prozent des BIP aus – das sollte uns alle zum Nachdenken anregen, meine ich.

Ich möchte mich weiterhin einset­zen, dass Liechtenstein eine der zukunftsweisendsten Versorgungs­strukturen für erkrankte Menschen nicht nur denkt, sondern aktiv entwickelt und um­setzt.

Ich möchte, dass wir ein «Versorgungs-Leuchtturm» werden. Wir lokal und überregional Versorgungsengpässe, wie wir sie bereits jetzt sehen, aktiv schliessen. Wir innovative Versor­gungspfade auf überregionaler Achse denken, planen, rechnen und fördern, dann kommen wir weiter. Nicht weiterkommen wir mit dem falsch gedachten Wirtschaftlich­keits-, Zweckmässigkeits- und Wirk­samkeitsdiktat von Krankheitsbe­handlungen, kurz WZW. Das erste W von WZW hat sich um die «Wirk­samkeit» einer Therapie zu küm­mern. Falls es ab und zu vergessen wird, Gesundheitsdiensleister be­handeln keine Diagnosen, sondern leidende Menschen. Ich träume davon, dass wir es schaffen, mehr und nicht weniger Ausbildungs- und Arbeitsplätze im Gesundheitswesen zu verankern, damit wir, wenn wir selber alt sind, nicht von Pflegerobo­tern behandelt und im Alter Windeln mit einer Flüssigkeitsrückhaltekapa­zität von 20 Litern tragen werden. Ich wünsche allen Erkrankten und deren Angehörigen sowie allen, die versuchen ein in Schieflage gerate­nes Gesundheits- und Versorgungs­wesen zu stützen, Kraft, Mut, Zuver­sicht und wenig Albträume und das Nutzen von Handlungsspielräumen.

Michaela Risch VR-Präsidentin und CEO Clinicum Alpinum, Stiftungsratspräsidentin gemeinnützige Stiftung Tiefsinn – Dieser Artikel erschien am 03.März 2023 als Gastkommentar in der Wirtschaft Regional

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